„Operation Gystel“ ab Samstag

Am Wochenende gründet sich die Sammlungsbewegung Ost mit dem Namen „Komitee für Gerechtigkeit“/ Prominente Unterzeichner neben Gysi und Diestel Heinrich Albertz und Heiner Müller  ■ Von W. Gast u. B. Markmeyer

Berlin (taz) — Wenn der Volksmund mit seinem Sprichwort „Was lange währt, wird endlich gut“ recht behält, dann muß die Gründung einer ostdeutschen Sammlungsbewegung ausgesprochen erfolgreich verlaufen. Nach Wochen der Diskussionen und Spekulationen steht nun fest: Der Appell zur Gründung von „Komitees für Gerechtigkeit“ wird Samstag mittag in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. Dies bestätigte gestern der PDS-Chef Gregor Gysi, der neben Brandenburgs CDU-Politiker Peter-Michael Diestel Motor der Initiative ist. Gysi lüftete das lange gehütete Geheimnis, nachdem die 'Bild‘-Zeitung gestern in ihrer Brandenburger Ausgabe vorab Auszüge aus dem Appell und Namen der Erstunterzeichner veröffentlicht hat. Der vollständige Aufruf ist in der heutigen taz auf Seite 10 abgedruckt.

Nach Darstellung von 'Bild‘ wird die Initiative von 30 Gründungsmitgliedern getragen. Die 13 prominentesten wollte Springers Blatt auch nennen. Wie zu erwarten war, stehen Diestel und Gysi ganz oben auf der Liste. Weiter werden genannt:

—die Kirchenmänner Günter Krusche (Berlin) und Gottfried Forck (Berlin-Brandenburg)

—die Liedermacher Stephan Krawczyk (Berlin), Konstantin Wecker (München), Hannes Wader (Friesland) und Udo Lindenberg (Hamburg)

—die Schriftsteller und Dramatiker Stefan Heym (Berlin) und Heiner Müller (Berlin)

—der Mediziner Horst Klinkmann (Rostock), der Historiker Ernst Engelberg und der Theologieprofessor Heinrich Fink (Berlin).

In wenigstens drei Fällen hat sich 'Bild‘ geirrt: Nach Anfragen der taz dementierte der Generalsuperintendent Günter Krusche. Auch die Nennung Udo Lindenbergs und Konstantin Weckers ist falsch.

Weitere Unterzeichner sind die Rocksängerin Tamara Danz, der Literat Gerhard Zwerenz, Pfarrer Heinrich Albertz, der Rechtsanwalt Heinrich Senfft — und taz-Chefredakteur Michael Sontheimer.

Gysis Büro im Berliner PDS-Parteivorstand wollte Einzelheiten zu Aufruf und Unterzeichnern nicht bekanntgeben. Dies sei „Sache derjenigen, die mit dem Aufruf an die Öffentlichkeit gehen“. Die PDS wolle sich auch an Spekulationen über die parteiübergreifende Initiative nicht beteiligen. Von Gregor Gysi wurde lediglich angemerkt, daß die von 'Bild‘ kundgegebenen Namen ebenso wie die zitierten Textpassagen „nicht dem gegenwärtigen Stand“ entsprächen.

Im thüringischen Erfurt kündigte Peter-Michael Diestel die Gründung für das Wochenende an. „Die Anzeigen dafür sind schon in großen deutschen Zeitungen geschaltet“, erklärte er der 'Thüringer Allgemeinen‘. Am Rande einer Diskussionsveranstaltung nannte das Enfant terrible der CDU als Ziel der Sammlungsbewegung, der Politikverdrossenheit in den neuen Bundesländern massiv entgegenzuwirken.

Diestel wollte auch nicht ausschließen, daß aus der Sammlungsbewegung am Ende doch noch eine Partei werden könnte. Von der Gründung einer Partei ist im Aufruf zwar nicht die Rede, die Komitees sollten aber auf kommunaler und Länderebene Delegierte zu einem Kongreß für die neuen Bundesländer und Ost- Berlin wählen. Dort soll schließlich über eine „permanente Struktur“ und „und deren weitere Funktion entschieden“ werden. Bei den verschiedenen Diskussionsverantaltungen der letzten Tage hatten Diestel und Gysi die Frage einer „Wählbarkeit“ der Sammlungsbewegung offengelassen. Der Wessi Hannes Wader hat einer Parteigründung aber schon eine Absage erteilt. „Ich unterstütze diesen Aufruf als Initiative für eine Bürgerbewegung, aber nicht als Initiative für eine Partei“, sagte er gestern der taz.

Bemüht gelassen reagierte gestern die CDU-Fraktion im Postdamer Landtag. Hatte Diestels Engagement nicht nur in den Reihen der Bundes-CDU zu heftigen Kontroversen und Ausschlußforderungen geführt — in Potsdam wurde es in der Fraktionspressestelle mit den Worten „keine Sache, die zu heftigen Reaktionen hin zu Herrn Diestel führen“ heruntergeredet.

Die bevorstehende Gründung der „Komitees für Gerechtigkeit“ hat auch unter den Grünen zu einem handfesten Krach geführt. Der Bundestagsabgeordnete Klaus-Dieter Feige aus Mecklenburg-Vorpommern begrüßte ebenso wie das Bundesvorstandsmitglied aus Brandenburg, Friedrich Heilmann, die Gründung. Beide riefen zur Unterstützung auf. „Wir begrüßen die Gründung vieler regionaler und kommunaler ,Komitees für Gerechtigkeit‘“, erklärten beide in einer Resolution, die vom Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommern und Teilen des Landesvorstands Sachsen-Anhalt mitgetragen wird. Bundesvorstandssprecherin Christine Weiske verurteilte dagegen die Initiative als „Störung des Formierungsprozesses“ einer gemeinsamen Opposition von Ost- und Westdeutschen. Die Unterzeichner des Aufrufs müßten sich die Frage gefallen lassen, „auf welche Seite sie sich zukünftig schlagen und wessen Interessen sie in Bonn vertreten wollen“.