Barcelonareisende: Die wundersame Lust am Kachelzählen

■ Olympische Spiele in Barcelona: Schwimmstar Nils Rudolph hofft auf Edelmetall

BARCELONAREISENDE

Die wundersame Lust am Kachelzählen

Olympische Spiele in Barcelona: Schwimmstar Nils Rudolph hofft auf Edelmetall

Nils Rudolph ist neben Stefan Pfeiffer der zweite Schwimmer der SG Hamburg, der bei den olympischen Spielen in Barcelona um Ruhm und Geld schwimmen wird, ein Hamburger ist er dennoch nicht.

Bis zum Jahreswechsel 1990 lebte und trainierte er in Rostock, wo noch zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik eines der Leistungszentren des dortigen Schwimmverbandes angesiedelt war. Rudolph kam sozusagen als Konkursmasse nach Hamburg: „Hier sind die optimalen Bedingungen, um mich auf meine weitere Karriere vorzubereiten“, teilte er nach seiner, pardon, Republikflucht mit.

Die Liste seiner sportlichen Erfolge liest sich wie die seines Vereinskameraden Stefan Pfeiffer: Zum großen Wurf hat es trotz seiner mittlerweile 26 Jahre nicht gereicht. 1989 EM-Dritter, das war seine größte Ausbeute. Rudolph galt schon zu DDR-Zeiten als schwierig. Trainieren lassen wollte er sich beispielsweise nur von seinem Vater, was ihm heute als Ausweis einer drogenfreien Vergangenheit gilt. Und als er in Perth, bei den Weltmeisterschaften im Januar 1991, zum Kraulen über die Kurzstrecke ansetzen wollte, meldete er sich krank: ein Hexenschuß plagte ihn. Woraufhin ihn ein DSV- Funktionär in einem Fernsehinterview mangelhafte, unprofessionelle Vorbereitung vorwarf. Rudolph nagte an diesem Vorwurf sehr, war er doch in der Schwimmbranche als Trainingsweltmeister bekannt, als einer, der sich nach vollbrachten Übungseinheiten zusätzlich ins Bassin warf um die richtige Linie zu finden.

Daß er sich nun allen Unbilden zum Trotz dennoch für Barcelona über die 50-Meter-Freistilstrecke qualifizieren konnte, er den Karriereknick zum Jahreswechsel 1991 wegstecken konnte, hatte er in der DDR gelernt: Von 1983 bis 1987 pausierte er vollständig, hatte zum ermüdenden Kachelzählen keine Lust, da war Rudolph noch längst nicht motiviert genug, sich den Arsch flachzutrainieren. 1988 konnte er sich für die DDR-Olympiaauswahl zwar knapp nicht qualifizieren, aber er wußte, daß das nächste Großereignis seines sein würde. Das klappte, wie gesgt, zwar nicht, dafür will er in der katalanischen Hauptstadt sein Bestes geben: „Ich will natürlich die Goldmedaille gewinnen“, antwortete er kürzlich auf die Frage nach seinen Ambitionen, „aber andere wollen das auch.“

Arne Fohlin