Mischko zockt um das große Geld

Beim Blitzschachturnier in Brüssel überrascht Großmeister Eric Lobron die Schachelite  ■ Aus Brüssel Stefan Löffler

„Mischko gewinnt alles“, begrüßt der bosnische Großmeister Ivan Sokolow seinen Gegner ungezählter Blitzschachpartien im Spielerraum. Eric Lobron hat gerade Sokolows Teamkameraden Pedrag Nikolic aus dem Rennen geworfen. Nun steht der Wiesbadener im Finale des Brüsseler Schnellschachgipfels (bei Redaktionsschluß noch nicht beendet). 50.000 Dollar gibt es für den Sieg, der Verlierer kassiert noch die Hälfte. Mehr Geld steht im Schach eigentlich nur auf dem Spiel, wenn es um die Weltmeisterschaft geht. Lobron steigt zu Zeiten gerne als „Mischko“ in den Ring, um einige Blitzpartien um 20, 50 oder 100 Mark zu spielen. Nun zockt der 32jährige um das große Geld.

Dabei wurde seine Einladung in das 32er Feld vor dem Turnier heftig kritisiert. Erst als nach Weltmeister Garri Kasparow auch der neue Weltranglistenzweite Wassili Iwantschuk abgesagt hatte, wurde Lobron nachnominiert. Selbst wenn er in der ersten Runde des K.O.-Turniers sang- und klanglos ausgespielt worden wäre, hätte er immerhin 2.000 Dollar plus Spesen erhalten.

Gemeinhin verdient sich ein Schachprofi sein Geld mit mehr Schweiß. Zwischen den lukrativen Einladungsturnieren tummelt sich auch Lobron mit hartgesottener GUS-Konkurrenz auf offenen Veranstaltungen mit weit kargeren Preisgeldern. Er ist einer der erfolgreichsten Open-Spieler der Welt. Seine Siege in Wien, Cannes und New York haben ihn auf der Weltrangliste um 50 Elopunkte nach vorne gebracht. Mit 2.625 Zählern liegt er auf Platz 20, nur noch fünf Punkte hinter Robert Hübner, seit 20 Jahren die deutsche Nummer eins.

„Ob ich nun die Nummer eins oder die Nummer zwei bin, ist mir heute nicht mehr so wichtig“, steckt Lobron neue Ziele. Sein Spiel will er vervollkommnen, sehen, was drin ist, nachdem er sich mit 32 sehr spät in die Creme der Supergroßmeister über 2.600 Elo gespielt hat. „Früher war ich auch ein guter Spieler, aber zu wechselhaft. Heute habe ich meine schachliche Ausbildung in etwa abgeschlossen.“ In der Eröffnung sei er zwar anfällig, aber die wissenschaftliche Vorbereitung à la Kasparow liegt ihm nicht. „Da ist zu wenig Leidenschaft drin. Ich will ja nicht immer das gleiche Gemüse auf dem Teller haben.“

Lobron zieht es zurück in den Turniersaal, wo Michael Adams und Viswanathan Anand das zweite Halbfinale austragen. Der Inder ist Favorit, trotzdem wäre Anand Lobron im Finale lieber: „Da hätte ich mehr zu beweisen.“ Die Krawatte baumelt ungebunden um den Kragen, als Adams mit Guns 'n Roses auf der Brust die Bühne betritt. Anand ist nur ein Schatten seiner selbst, und mit Adams erreicht der zweite krasse Außenseiter das hochdotierte Finale.

Die Zuschauerrolle tut weh. Jan Timman, Kandidatenfinalist aus den Niederlanden, und Yasser Seirawan aus den USA, der in der ersten Runde Anatoli Karpow ausgeknockt hat, zocken nach ihrem Ausscheiden den Frust im Spielerraum weg. Lobron kiebitzt bei den bierlaunigen Fünfminutenpartien um „kleinen Einsatz — große Freude“, wie es im Spielerjargon heißt. Vor seinem Glanzsieg gegen Artur Jusupow hatte Lobron im Spielerraum selbst einem Wunderdoping gefrönt. Das Gläschen Cognac brachte ihn sicher ins Viertelfinale.