„Hier wird gelogen, daß sich die Balken biegen“

Schwierigkeiten bei der Wahrheitssuche im Düsseldorfer Untersuchungsausschuß/ Welche Rolle spielte der „rote Filz“?  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Die Prospekte sind bunt und vielversprechend. Glaubt man den Ankündigungen des Oberhausener Presseamtes, dann eröffnet das geplante Projekt „Neue Mitte Oberhausen“, das eine Einkaufs- und Freizeitanlage auf einem etwa 60 Fußballfelder großen ehemaligen Thyssen-Gelände umfaßt, der Revierstadt rosige Zukunftsaussichten. Von drei Milliarden Mark an Investitionen und 11.000 neuen Arbeitsplätzen künden die Werbeblättchen der Stadt. Helle Freude also im Ruhrpott? Das genaue Gegenteil ist der Fall. Der Einzelhandel der Nachbarstädte mag ebensowenig in den Jubelchor einstimmen wie zahlreiche Gutachter und die Grünen. Seit Wochen müht sich zudem ein Untersuchungsausschuß im Düsseldorfer Parlament um die Aufklärung des Geschäftes. Im Zentrum der Kritik steht Heinz Schleußer (SPD), der als NRW-Finanzminister die Vision von „Superhausen“ entscheidend angestoßen hat. Am 5. Dezember letzten Jahres kaufte Schleußer das eine Million Quadratmeter große Thyssen- Grundstück für 20 Millionen Mark, um es noch am selben Tage an eine maßgeblich von der Stadt Oberhausen kontrollierte Grundstücksgesellschaft weiter zu veräußern, die das Gelände baureif machen soll. Am Ende, auch das wurde am 5. Dezember vereinbart, wird das Grundstück für 60 Millionen Mark bei dem britischen Investor Edward Healey landen.

Gestern nun mußte sich Schleußer erneut vor dem Düsseldorfer Untersuchungsausschuß rechtfertigen. Es ging um den Vorwurf der Begünstigung — um „roten Filz“. Alle vier Verträge des Grundstückgeschäfts wurden von dem Essener Anwalt und Notar Peter Heinemann notariell beglaubigt. Nach der Gebührenordnung waren dafür 300.000 Mark fällig. Warum, so fragt die Opposition, bekam ausgerechnet Heinemann, einst SPD-Landtagsabgeordneter und angeheirateter Onkel von Johannes Rau, den Zuschlag? Nach Darstellung der beiden Oppositionsführer Michael Vesper (Grüne) und Helmut Linssen (CDU) hat Schleußer in einem Gespräch mit allen Fraktionsvorsitzenden am 20. Februar erklärt, er habe keinen Einfluß auf die Auswahl des Notars genommen, sondern sein Haus sei nach einer internen Liste vorgegangen, die 20 Notare umfasse. Nach dieser Liste sei Heinemann zufällig an der Reihe gewesen. Wenige Tage später, am 24. Februar, brachte Schleußer die Notarliste auch während einer Pressekonferenz ins Gespräch, um dem Eindruck einer sachfremden Einflußnahme zu begegnen. Gestern nun hörte sich das alles wieder ganz anders an. Mal war sich der Minister gar nicht so sicher, „daß es eine solche Liste bereits vorgefertigt überhaupt gibt“, dann wieder war von einer reinen „Vollzugsliste“ die Rede, die die Namen aller Notare enthielt, die große Geschäfte für das Finanzministerium beurkundet hatten. Heinemann, so räumte Schleußer ein, stand überhaupt nicht auf dieser Liste. Seine Verpflichtung habe mit der Liste mithin auch nichts zu tun. Im Februar hatte Schleußer noch genau den gegenteiligen Eindruck erweckt. Für den unter Druck geratenen Minister macht der Wandel Sinn, denn die Version mit der Liste stieß sich erheblich mit anderen Zeugenaussagen. Noch am Dienstag hatte Heinemann selbst wörtlich erklärt: „Das Mandat kam alleine und ausschließlich vom Investor.“ „Hier wird gelogen, daß sich die Balken biegen“, ballerte daraufhin der CDU-Generalsekretär Reul los.

Beistand erhielt Heinemann vom Düsseldorfer Anwalt Siegfried Elsing, der die Interessen des britischen Investors Edward Healy vertritt. Elsing bestätigte vor dem U- Ausschuß im wesentlichen Heinemanns Schilderungen. Die passen wiederum nicht mit einer weiteren Version zusammen, die der im Finanzministerium tätige Regierungsdirektor Lebro vor dem Ausschuß zum besten gegeben hatte. Laut Lebro hat der Verhandlungsführer des Ministeriums, Dr. Oerter, wörtlich ihm gegenüber erklärt: „Der Minister wünsche das, daß der Notar Heinemann in Essen genommen wird... Ich habe gleich reagiert und gesagt: Muß das denn sein? Das ist ja nun ein ausgewiesener Mann. Das desavouiert uns doch ein bißchen das Projekt...“ Der CDU-Abgeordnete Hartmut Schauerte forderte angesichts all dieser Widersprüchlichkeiten gestern Beistand von der Staatsanwaltschaft. Die müsse jetzt aktiv werden, denn es „besteht der Verdacht der uneidlichen Falschaussage“. Fragt sich nur, wer da der Übeltäter ist.