A-Bomben-Material vor Berliner Kneipe

■ Polizei vereitelte Handel mit Plutonium, Uran und Cäsium

Berlin (taz) — Vier Millionen D-Mark wollten die Händler für Uran und Plutonium kassieren, das sie in einem Jeep nach Berlin gebracht hatten. Aber am Mittwoch waren sie vom Pech verfolgt: die Polizei hatte einen Hinweis aus Hehlerkreisen bekommen und schickte einen Zivilbeamten zu dem genannten Treffpunkt vor einer Kneipe in die Charlottenburger Reichsstraße 3.

Stolz konnten die Staatsschützer die Festnahme eines 43jährigen Bauern aus Polen und von zwei Österreichern (49 und 42) vermelden. Ein weiterer Pole (36), der in seinem Handelsgeschäft an der Friedrichstraße „alles vom Gummibärchen bis zum Hubschrauber“ verkauft hat, wurde am Donnerstag abgeführt, teilte Justizsprecher Bruno Rautenberg mit. Die Durchsuchung der Geschäfts- und Privaträume des zweiten Polen förderte keine Hinweise auf weitere Geschäfte dieser Art zutage. Gegen alle vier Männer wurde Haftbefehl erlassen.

Die Polizei hat inzwischen herausgefunden, daß die hochbrisante Ware in dem Jeep mit österreichischem Kennzeichen über die polnische Grenze geschmuggelt worden war. Wo das Material ursprünglich herkam, konnte noch nicht geklärt werden; vermutet wird aber, daß es aus den GUS-Staaten stammt.

Die zwei Bleibehälter, in denen das radioaktive Material sicher verpackt war, wurden ins Hahn-Meitner-Institut gebracht. Mit Hilfe eines Gammaspektrometers stellten die Experten die Mengen der radioaktiven Stoffe fest: 1,78 Kilo auf 1,5 bis 1,7 Prozent angereichertes Uran, mehrere Kilo Cäsium 137 und 2,46 Milligramm Plutonium. Die Plutoniumkapseln waren in 300 Ionisationsfeuermeldern eingebaut, die in öffentlichen Gebäuden mehrerer osteuropäischer Länder und auch noch in der ehemaligen DDR hängen. Die etwa camembertgroßen Apparate schlagen Alarm, wenn sich die elektronische Leitfähigkeit der Luft durch Rauchbildung vergrößert.

Plutonium ist atombombenfähiges Material. Und auch aus dem sichergestellten Uran könnte mit Hilfe einer Anreicherungsanlage eine kleine Menge waffenfähiges Material gewonnen werden. „Für Atombomben aber sind die Mengen entschieden zu gering“, sagt Ulrich Horstmann vom Hahn-Meitner- Institut. Beide Substanzen sind hochgiftig. Warum die Händler auch Cäsium schmuggelten, das zwar ebenfalls radioaktiv ist, nach Einholung einer Strahlenschutzgenehmigung aber in Deutschland legal zu bekommen ist, leuchtet dem Wissenschaftler nicht ein.

Über den Verwendungszweck der heißen Ware kann bisher nur spekuliert werden; entweder sammeln die Käufer kleine Mengen, um schließlich doch die kritische Masse für A-Waffen zusammenzubekommen, oder der Fund der Polizei war eine Probemenge für einen späteren großen Handel. aje