„Arme Schweine“ und kleine Schmuggler

■ Und immer ist der Zoll dabei: Szenen vom Bremer Flohmarkt

Bitte das Foto von dem

Harfespieler

Come together: Auf dem Bremer Flohmarkt machen Polen die Musik...

„I buy souvenirs for my friends and relatives.“ Der GI, von der aus Garlstedt abziehenden Garnison, weiß genau, was er an den Polen auf dem Bremer Flohmarkt hat. Andere amerikanische Soldaten sammeln fleißig Orden ihrer sowjetischen Exfeinde. Die GI's sind für den polnischen Münz- und Ordenhändler vom Stand gegenüber die besten Kunden.

Buntes Treiben auf der Bürgerweide: Wenn Türken die Stände besuchen, werden Polen mißtrauisch. „Die klauen“, so ihr Vorurteil, das anscheinend bestätigt wird, als ein 14-jähriger mit sei

nem Diebsgut unter allgemeinem Tumult in der Menge verschwindet.

Gegen die Polen wiederum pflegen viele Deutsche ihre Vorurteile, auch wenn sie deren Ware durchaus zu schätzen wissen. Eine Kundin mit stahlgrauer Dauerwelle ist auf dem Markt, weil sie sich für polnisches Bleikristall interessiert und „weil die Pollacken jetzt in meiner Heimat sind. Mal gucken, ob ich was wiederfinde, was die mir damals weggenommen haben“.

Ein anderer deutscher Kunde meint, die polnischen Händler seien doch „arme Schweine“. Eine Beschreibung, die zumindest auf den zutrifft, der gerade russiche Hosenträger verkauft. Wenn dieser arbeitslose Handwerker über seine Lebensumstände spricht, treten ihm Tränen in die Augen. Während er erzählt, ordnet er mit fahrigen Bewegungen immer wieder die sowjetischen Waren auf dem Campingtisch. Seine dreiköpfige Familie muß bei Lebenshaltungskosten, die ca. zwei Mio. Zloty monatlich betragen, von 700 tausend Zloty „Kuroniowka“ leben. „Kuroniowka“ nennen die Polen ihre Arbeitsloseunterstützung nach dem ersten demokratischen Sozialminister Jacek Kuron.

Auf dem Flohmarkt sind ganze Familien aus Nordwestpolen, die sich ihr Arbeitslosengeld durch Handel aufbessern. Die Frage, wie sich das lohnt, wenn ein einfaches Busticket schon 50 Mark kostet, beantwortet ein junger Pole, der Ferngläser feilbietet. Ein russisches Gerät bringt bei 60 Mark Verkaufspreis 38 Mark ein, reicht also schon fast für die Busfahrkarte. Dieser Pole gehört eher zur Kategorie Abenteurer unter den Händlern. Sein Vater hat Arbeit, seine Mutter vier Geschäfte, er will mit dem Handel in Bremen nur sein Taschengeld aufbessern,

Beim Flohmarkthandel ist eine Gewinnspanne von 100 Prozent durchaus üblich. Ein etwa 20jähriger arbeitsloser Pole nutzt zum Beispiel den typischen Handelsweg Wilna-Warschau-Bremen, um raubkopierte Cassetten zu exportieren. In Wilna sind diese Fälschungen von zumeist guter Qualität mit Preisen unter einer Mark noch einmal 20 Prozent billiger als in Polen. Hier werden sie dann für drei Mark das Stück unter die Leute gebracht.

Viel Wirbel um ein paar Zigarettenstangen

Dem deutschen Zoll ist diese Art von Geschäften bislang ziemlich egal. Um so mehr kümmern sich die Fahnder um illegal importierten Wodka, Zigaretten und neue optische Geräte. An einem durchschnittlichen Wochenende kassieren 25 Beamte in siebenstündigem Einsatz 21 Liter Wodka, ein paar Gläschen Kaviar und 220 Stangen Zigaretten. Damit die Dauerpräsenz zu rechtfertigen ist, werden die Erfolge jeden Sonntag per Pressemitteilungen veröffentlicht und die Zahl der beschlagnahmten Zigaretten in Stückzahl benannt. „45.000 geschmuggelte Zigaretten“ hört sich dann zwar nach einem richtigen Erfolg an, doch hinter vorgehaltener Hand murren einige Beamte bereits und fragen sich nach dem Sinn solch aufwendiger Kramerei zwischen Unterwäsche und Zahnpastatuben. „Als ob wir am Wochenende nichts besseres zu tun haben“, klagt ein Beamter.

Viele Polen fühlen sich durch ständige Kontrollen ungerecht behandelt. Denn Geschäfte können die Wochenendtouristen auch ganz legal machen. „Man kann hier auch ohne Zigaretten Geld verdienen“, sagt ein Pole. „Die, die schmuggeln, erschweren uns nur das Leben.“

Einen vermeintlichen Schmuggler aus der Herde der schwarzen Schafe begleiten wir am Montag zu seinem Lokaltemin beim Zollamt. Angeblich kam er nur nach Bremen, um drei Kinder einer in Polen lebenden Mutter zu ihrem Vater nach Bremen zu bringen. Bier- und Coladosen, die er in seinem VW-Bus palettenweise gestapelt hat, die erklärt er zum Eigenbedarf. Sein Pech nur, daß er „Kollegen“ gestattet hat, Wodka, Fotoapparate und mehrere Stangen Zigaretten in seinem Auto unterzustellen. Damit hat der Zoll ihn dann erwischt. Die Geschichte geht für den Menschenenfreund glimplich aus. Er bekommt zwei beschlagnahmte, gebrauchte Kameras zurück. Und auch seine Entlastungszeugen haben Glück. Der Reisebus hat für sie einen Tag in Bremen gewartet. Stefan Krüger, Joanna Plocinska