EG will Telecom-Monopole knacken

Nach einer Studie der EG-Kommission sollen Telefongespräche innerhalb der Gemeinschaft billiger werden/ Richtlinienentwurf bleibt wegen des Protests der Franzosen vorerst unter Verschluß  ■ Aus Brüssel Michael Bullard

Keine Regel ohne Ausnahme, dies gilt auch für die Europäische Gemeinschaft. Wo sonst meist nur der Stoff für Hiobsbotschaften umwelt- und konsumentenfeindlicher Art produziert wird, werkelt die Mega- Bürokratie zur Abwechslung auch mal an etwas Begrüßenswertem: Die Eurokraten in Brüssel wollen die grenzüberschreitende Kommunikation zwischen ihren 340 Millionen BürgerInnen fördern, ohne daß diese sich gleich klimaschädigend auf die Reise machen müssen: Die Gebühren für internationale Telefonate innerhalb der EG sollen verbilligt werden. Denn Gespräche über Grenzen hinweg sind nach einer von der EG- Kommission erstellten Studie zur Zeit bis zu sechsmal so teuer wie vergleichbare Ferngespräche innerhalb von Mitgliedsländern. Dies, so reklamieren die zuständigen EG-Beamten in einem bislang nicht veröffentlichten Bericht, behindere jedoch nicht nur die Verwirklichung des Binnenmarktes. Auch das Wachstum des Marktes für Dienstleistungen und Ausrüstungsgüter im Bereich der Telekommunikation werde dadurch stark eingeschränkt.

Um hier Abhilfe zu schaffen, sollen die zwölf nationalen Telekommunikationsgesellschaften in der Europäischen Gemeinschaft ihre Monopolstellung bei der Vermittlung von Ferngesprächen verlieren. Außerdem will man in Brüssel durchsetzen, daß sich die Gebühren an den echten Kosten orientieren. Vermehrte Konkurrenz, so die Logik, werde helfen, das Angebot für Firmen und Privatpersonen noch weiter zu verbilligen. Doch was sonst als Grundregel des Binnenmarktes akzeptiert ist, gilt in diesem Fall als revolutionäre Doktrin — schließlich geht es ans Eingemachte der auf ihre Hoheitsrechte bedachten nationalen Verwaltungen.

Widerstand kommt vor allem von der französischen Telecom, dem fünftgrößten Telekommunikationsunternehmen der Welt mit Sitz in Paris. Dort wird behauptet, die geplante Gebührenreduzierung würde den Bestand des Unternehmens und damit Tausende von Arbeitsplätzen gefährden — eine Drohung, die wenige Monate vor der Volksabstimmung in Frankreich über den in Maastricht beschlossenen Vertrag zur Europäischen Union die schon verunsicherten Eurokraten zögern läßt. Die vorläufige Konsequenz: Der entsprechende Richtlinienentwurf ist zwar fertig, wird aber nicht offiziell bekanntgegeben.

Dabei tragen innergemeinschaftliche Telefonate lediglich zu vier bis fünf Prozent zum gegenwärtigen Einkommen der Telekom-Unternehmen bei. Wie lukrativ das Geschäft mit den grenzüberschreitenden Gesprächen dennoch ist, zeigt sich daran, daß sie nur ein Prozent der gesamten Gesprächsminuten ausmachen. Zudem werden im internationalen Bereich enorme Zuwachsraten vorausgesagt — bis zu 14 Prozent gegenüber maximal sechs Prozent bei Gesprächen innerhalb der Länder. Besonders in den südlichen Mitgliedsländern der Gemeinschaft soll es in den nächsten Jahren einen regelrechten Boom im Telefongeschäft geben. Dort erwarten die Eurokraten Zuwachsraten von bis zu 80 Prozent. Denn, so rechnen sie vor, die von diesen Staaten angestrebte Angleichung des Telefonstandards würde eine Investition von über 80 Milliarden Mark erfordern. Ähnliches gilt für Mittel- und Osteuropa.

Rund 150 Millionen Telefonanschlüsse gibt es zur Zeit in der EG, 180 Millionen könnten es 1996 sein — allerdings nur, wenn die Monopolstellung aufgegeben wird. Bliebe es bei der gegenwärtigen Situation, rechnen die Eurokraten lediglich mit einem moderaten Wachstum des Telekomgeschäfts bis zu vier Prozent. Bei Freigabe der internationalen Gespräche erwarten sie hingegen eine Wachstumsrate bis zu sieben Prozent. Der EG-weite Umsatz könnte sich von 180 Milliarden Mark im Jahre 1990 innerhalb der nächsten 20 Jahre sogar vervierfachen. Bei solchen Prognosen empfiehlt es sich, schon jetzt in Zubehörfirmen im Bereich Telekommunikation zu investieren. Diese würden, so die Autoren des Berichts, in Zukunft mit der internationalen Konkurrenz mithalten können. Denn nach Schätzungen der EG-Kommission wird die Gemeinschaft bis zum Jahre 2000 insgesamt 800 Milliarden Mark in die Entwicklung ihres Telekommunikationsnetzes investieren.

Für einen Abbau der Telecom- Monopole hatten sich im Frühjahr bereits die Verbraucherschützer engagiert: In einer Untersuchung kamen sie zu dem nicht erstaunlichen Schluß, daß ein einheitlicher Binnenmarkt im Bereich der Telefondienste noch weit entfernt sei. Von einer Angleichung der Gebühren, Kosten und Qualität der erbrachten Leistungen könne keine Rede sein. Vor allem die Gebührenstruktur, so kritisierte der Dachverband der Verbraucherinitiativen, spiegele nicht die tatsächlichen Kosten der Monopol-Gesellschaften wider.