Erste allgemeine Erleuchtungswerke

■ 99 Jahre Elektrizität in Bremen / Das Focke-Museum arbeitet schon an einer Ausstellung zum 100. Geburtstag der Stadtwerke

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Pfeifenraucher

Heinz-Gerd Hofschen

Die Leute schleppen schon alles mögliche Gerät an: Schallwaschmaschinen und Elektrisierkoffer und uralte Kinoschalttafeln: Im nächsten Jahr wird alles in einer großen Ausstellung zu sehen sein; da zeigt das Focke-Museum, wie vor einem Jahrhundert die „Elektrifizierung in Bremen“, so der Titel, in das Leben der Menschen eingegriffen hat. Anlaß ist der 100. Geburtstag der Stadtwerke. Heinz-Gerd Hofschen, gelernter Historiker, bereitet die Schau vor und erzählte der taz schon mal das meiste.

taz: Am 1. Oktober 1893 sind die Stadtwerke gegründet worden. Hat man das damals als Paukenschlag empfunden?

Heinz-Gerd Hofschen: Nun, es hat schon allein sieben Jahre Vorlaufzeit gebraucht, bis das Projekt eines Elektrizitätswerks durchgesetzt war. Da gab's ja schon seit 40 Jahren ein Gaswerk; dessen Direktor leistete erbitterten Widerstand gegen die neue Konkurrenz; noch zuletzt forderte er, das E-Werk möge doch dann wenigstens mit Gasmotoren betrieben werden. Andererseits gab es durchaus schon kleinere Generatoren in der Stadt; die Hemelinger Brauerei setzte für den Bau ihres Eiskellers bereits 1880 einen solchen Dynamo ein; das Theater, welches ganz scharf auf den Strom war, hatte auch schon bald ein eigenes kleines Aggregat. An diesem 1. Oktober aber begann die Stadt Bremen, und zwar anders als die meisten andern Städte, in eigener Regie ihre zentrale öffentliche Stromversorgung: mit einem Dampfmaschinen-Kraftwerk in der Schlachthofstraße. Seither gibt es die Stadtwerke, damals genannt: Erleuchtungs- und Wasserwerke Bremen, eine Benennung mit großem calvinistischem Charme, wie ich meine. An der Schlachthofstraße stand übrigens 1890 schon mal ein kleines E-Werk für eine Straßenbahn, die eigens zur riesigen Nordwestdeutschen Gewerbeausstellung zwischen Schüsselkorb und Bürgerpark verkehrte; im heutigen Park hatte man eine ganze Stadt aus Holz und Pappmache aufgebaut; es war eine typische Industrieausstellung der Aufbruchsjahre, die nebenbei die Akzeptanz für die Elektrizität erhöhen half. Die Straßenbahn war übrigens die erste per Stromstange und Oberleitung betriebene auf dem Kontinent. Nach der Ausstellung aber wurde alles wieder abgebaut.

Gab's Eiferer gegen die neue Energieform?

Eine gewisse Angst war schon verbreitet. Es gab die Befürchtung, man könne mit Uhren oder Schmuck aus Silber und Gold die neue elektrische Straßenbahn nicht benutzen, weil womöglich das Edelmetall galvanisiert werde. Und natürlich kam es auch mal zu Unfällen, an denen die Menschen die zerstörerische Kraft der Elektrizität ablesen konnten: Um die Jahrhundertwende riß in Bremen ein Telegrafendraht, ein Ende verfing sich in der Straßenbahn-Oberleitung,

„Anfangs trauten sich die Leute nicht so recht in die elektrische Straßenbahn. Sie fürchteten, ihre goldenen Uhren könnten galvanisiert werden. Und als einmal ein Telegraphendraht auf die Oberleitung fiel und in den umliegenden Häusern die Telefone durchschmorten, war die Aufregung enorm.“

und in mehreren umliegenden Häusern schmorten die Telefone durch, es brannte, und die Aufregung war enorm, auch in den Zeitungen.

Und trotzdem kriegte man immer mehr Abnehmer ans Netz?

Die Stadt tat eine Menge dafür. Gleich zu Anfang schloß man den Leuten die ersten 12.000 Glühbirnen gratis an. Und schon 1917, mitten im Weltkrieg und sehr früh im Vergleich zu andern Städten, wurde die gesamte öffentliche Beleuchtung auf Strom umgestellt. Anderswo gab's ja noch nach '45 teilweise Gaslaternen.

War's da noch was besonderes, sich einen Stromanschluß zu leisten?

Ja, anfangs war der Strom enorm teuer, das konnte kaum jemand bezahlen. Es dauerte sehr lang, bis die Elektrizität sich gegen das Gas durchsetzen konnte. Den ersten Aufschwung gab's in den Zwanzigern, als die E-Werke regelrechte Kampagnen inszenierten: mit Lehrküchen und Geräteausstellungen, mit regelrechten Lastwagen-Umzügen. Da wurden geschmückte Elektroherde und Kühlschränke und die jeweils neuesten Varianten der stromverbrauchenden Geräte durch die Stadt gefahren, übrigens schon damals in sehr enger Zusammenarbeit mit hiesigen und auswärtigen Geräteherstellern. Es wurde plakatiert, es wurde geworben für die neue, billige, sichere Energie; eine zweite Welle begann in den Fünfzigern. Die Lehrküche der Stadtwerke am Wall wurde, glaube ich, erst in den Sechzigern aufgegeben.

Hat das die Gerätepopulation in den Haushalten vorangebracht?

Erst mal beim Mittelstand und im Bürgertum. Die prächtigen unter den alten Bremer Häusern haben heute noch in allen Zimmern die Rohranschlüsse für die zentrale Staubsaugeranlage. Da stand im Keller der Elektromotor, und oben schloß man jeweils nur den Schlauch an. Der vollständige Durchbruch, dann auch in den Arbeiterhaushalten, der vollzog sich erst in den fünfziger Jahren.

Und die Zurückhaltung anfangs, lag die nur am Preis?

Ja, es gab kaum prinzipielle Vorbehalte. Im Gegenteil: Die Elektrizität verband sich von Anfang an mit einer ungeheuer euphorischen Zukunftserwartung. Auf Plakaten erschien der Strom oft in der Metapher der nackten Frau, die quasi als Fackel der Freiheit eine Glühbirne hochhält; wir haben übrigens hier eine solche Statuette als Tischlampe. Die Vorstellung, nun könnte das Leben sauberer, einfacher, auch heller und geradezu demokratischer werden, diese Vorstellung hat alle beseelt, mit Ausnahme einiger romantischer Reaktionäre. Es gab den schönen Spruch: Wir wollen nicht von gestern sein, wir richten uns elektrisch ein.

Und mit den sonderbarsten Geräten.

Ja, da wurde etwa in den Fünfzigern das sogenannte Tefiphon entwickelt, eine Art Tonbandgerät, nur daß das Band nicht magnetisiert, sondern mit Rillen versehen war wie eine Schallplatte. In gewisser Weise war das Tefiphon sogar sinnvoller als ein Plattenspieler, weil man auf dem Band Stücke von fast beliebiger Länge speichern konnte. Bei Gastwirten zum Beispiel war das Tefiphon zur Beschallung mal beliebt; Kaufhäuser besorgten ihre Hintergrundmusik damit, sogar ein Auto-Tefiphon wurde schon gebaut. In den Sechzigern kaufte dann ein amerikanisches Unternehmen der sich entwickelnden Magnettonband-Branche die Herstellerfirma, aber nur um die Produktion einzustellen.

Wenn wir mal von den Geräten absehen: Wie ging denn die Erleuch

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Staubsauger

tung des öffentlichen Lebens vonstatten? Das muß ja auch ein Einschnitt gewesen sein.

Nicht mehr so sehr. In Bremen gab's ja öffentliches Licht schon vor dem Gas. 1793 wurde die erste öffentliche Beleuchtungsanstalt gegründet. Die unterhielt dann mit einem Korps von Lampenwärtern eine Menge von Öllampen. Aber das elektrische Licht brachte schon eine neue Stufe: Plötzlich konnte man wirklich jeden Winkel ausleuchten; plötzlich war derart auch die ganze Stadt kontrollierbar. Wir untersuchen aber auch die starken Veränderungen im Stadtbild: Die Leuchtreklamen etwa erlebten einen enormen Boom, am Hauptbahnhof stand damals ein regelrechter Reklameturm.

Und Ihre Ausstellung all dieser Sachen: Wie bauen Sie die auf?

Das wird schwierig. Wir wollen ja weder die reine Technikgeschichte noch allein die Geschichte der Stadtwerke zeigen, wir wollen zeigen, wie fundamental die neue Energieform in alle Lebensbereiche der Menschen eingegriffen hat: Die Produktion ist nicht mehr angewiesen auf den zentralen Antrieb durch eine Dampfmaschine; es gibt jetzt dort, wo er gebraucht wird, den einzelmotorischen Antrieb. Lange Zeit dachte man übrigens, die Elektrizität würde das Handwerk retten, weil diese Motoren sich auch der kleine Betrieb leisten konnte. Dann denken Sie nur an das Kino, das Telefon, an die Straßenbahn als erstes Massentransportmittel des Nahverkehrs und so weiter. Es wird bei uns in

Bremen aber auch um die maritime Elektrik gehen, vom Hafenkran bis hin zur elektrischen Fahrwasserbefeuerung. Eine andere Schwierigkeit wird aber sicher sein, daß es nichts Unsinnlicheres gibt als den Strom an sich. Da müssen wir uns was einfallen lassen.

Sie werden ein wenig theatralisch arbeiten müssen.

Ja, aber mit sparsamen Mitteln. Sicher nicht so, wie es jetzt sehr schön, aber nicht museal, die Auswandererausstellung im Rathaus vorführt. Man sollte nicht den Eindruck erwecken: So ist die Geschichte gelaufen. Der Besucher soll sich nicht fälschlich identifizieren. Aber es wird dennoch viel zu erleben sein, es gibt wunderbare Exponate, die wir hoffentlich auch teilweise zum Laufen bringen...

Auch mit Knöpfen für uns zum Drücken?

Auf alle Fälle.

Suchen Sie noch nach Expona

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Engel mit Glühbirne

Die populärste Allegorie der neuen Energieform: Nackte Frau mit Glühbirne als Freiheitsfackel. Hier als Tischlampe.Fotos (3): Jörg Oberheide

ten? Kann man helfen?

Ja, dringend. Wer immer alte Haushaltsgeräte zuhause hat, Lampen, Büromaschinen, Schalter, Meßgeräte, soll sich gebeten

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das alte Radio

fühlen. Neulich bot jemand eine alte Marmorschalttafel aus einem Bremer Kino an. Wir können wirklich alles brauchen.

Sie suchen ja auch schon einige Zeit. Sind Ihnen schon Überraschungsfunde untergekommen?

Na, heute zum Beispiel brachte einer einen Koffer mit einer alten Elektrisiermaschine. Das ist ein Trafo für 220 Volt Schwachstrom, dazu zwei Dutzend verschieden geformter Glaskolben, mit denen wurden Haut, Augen, Zunge, After, alles, was man sich denken kann, elektrisiert. Grauenhaft. Da blitzen dann blaue Funken auf, und die Leute glaub

„Die Elektrizität verband sich von Anfang an mit einer ungeheuer euphorischen Zukunftserwartung. Auf Plakaten erschien der Strom oft in der Metapher der nackten Frau, die quasi als Fackel der Freiheit eine Glühbirne hochhält“

ten, damit könne man Krankheiten heilen. Oder neulich stießen wir auf eine Art Lautsprecher am Stiel und dachten erst, das sei vielleicht zum Wäschestampfen verwendet worden. Es war aber ein sogenannter Schallwäscher.

Eine Schallwaschmaschine? Sie treiben keinen Spott mit mir?

Ganz im Ernst: Man steckte die Schallmembran in den mit Wasser und Wäsche gefüllten Bottich, schraubte den Stiel am Bottich fest, und dann sollten wohl hef

tige Schallwellen den Schmutz zerrütten und ablösen. So ganz haben wir's noch nicht raus. Jedenfalls hörte man auf damit, weil an bei Schwangeren Frühgeburten befürchtete.

Warum hat man nicht ohnehin die Wäsche einfach angebrüllt?

Wenn wir das wüßten. Interview: Manfred Dworschak

Links: Schon schleppen die Leute allerhand Exponate herbei, z.B. diesen alten Staubsauger und eines der ersten Kofferradios, Marke „Akkord“.