Dienst nach Vorschrift im Sozialamt

■ Bremer Karte nur nach Dienstanweisung / „Der Kleinkrieg geht weiter“

Mitarbeiter flitzen im Sturmschritt durch's SozialamtFoto: Katja Heddinga

Nach dem Aufstand der SachbearbeiterInnen des Sozialamtes Mitte/West vor gut vier Wochen ist im Waller Volkshaus wieder Ruhe eingekehrt. Doch die ist trügerisch. Die Berechtigungsschein-Anträge für die Bremer Karte werden zwar angenommen, wenn eine SozialhilfeempfängerIn die Karte aber sofort haben will, muß sie sich zuerst zur Amtsleitung begeben. Von dort oben ergehen täglich mehrere Dienstanweisungen. Die SachbearbeiterInnen machen nur noch Dienst nach Vorschrift.

Der Konflikt hatte sich an der Einführung der verbilligten Bremer Karte für SozialhilfeempfängerInnen entzündet. Die SachbearbeiterInnen aus den einzelnen Abschnitten des Bremer Westens hatten sich geweigert, die Anträge für die Berechtigungsscheine entgegenzunehmen. Allesamt hatten sie schon seit langem Überlastanzeigen an die Behördenleitung geschrieben, allerdings ohne großen Erfolg. Auch nach der Veröffentlichung des Konfliktes hat sich an der Arbeitssituation im Sozialamt nichts geändert — nur werden die Anträge jetzt per ordre de Mufti durchgedrückt.

„Wahrscheinlich werden die erst wach, wenn der Rechnungshof einsteigt“, meinte einer der Sachbearbeiter aus dem Westen. Er ist sicher, daß dem Sozialamt wegen der Überlastung der Mitarbeiter in jedem Monat größere Summen durch die Lappen gehen, wenn Rückforderungsfristen versäumt werden. Die MitarbeiterInnen sind frustriert. „Im Prinzip läuft der Laden ja weiter“, erzählte gestern ein weiterer Sachbearbeiter. „Der Zünder B-Schein ist erstmal entschärft.“ Doch unter der Decke kokelt der Konflikt weiter. Jeder Antrag kommt auf den größer werdenden Stapel noch nicht erledigter Papiere, der ohne Prioritäten abgearbeitet wird. So muß sich ein SozialhilfeempfängerIn wohl gedulden, ehe eine billigere Bremer Karte ausgestellt wird, es sei denn, sie läuft zum Amtsleiter persönlich.

Die Abteilungen schreiben weiter Überlastanzeigen, und von Zeit zu Zeit kommt es vor, daß in mehreren Stadtteilen einzelne Buchstabengruppen nicht besetzt sind, weil die Kapazitäten für Urlaubs- und Krankenvertretungen nicht ausreichen. An der Tür von A-K hängt dann der Zettel, daß die Stelle voraussichtlich bis zu diesem oder jenem Datum nicht besetzt sei.

Unterdessen brütet die Amtsleitung hinter verschlossenen Türen über einem „härteren Kurs“ gegenüber den MitarbeiterInnen, sollten die nicht aufhören, mit den Überlastanzeigen ihre Arbeitsbedingungen aktenkundig zu machen. An Entlastungen scheint in der Behörde niemand zu denken. Das Ressort muß einen eisernen Sparkurs fahren, und zu den Einsparmöglichkeiten gehört der Personalbestand in den Sozialämtern. Nach Möglichkeit sollen dort die Fallzahlen pro SachbearbeiterIn in die Höhe gesetzt werden. Dabei liegen nach den jüngsten behördeninternen Statistiken schon jetzt einzelne Bezirke mit 120 Fällen,pro MitarbeiterIn weit über dem Soll von 92,5.

Die MitarbeiterInnen erwarten für die nächsten Tage harte Dienstbesprechungen mit ihrer mitlerweile reichlich genervten Dienststellenleitung. „Sollte sich nichts recht ändern“, meinte einer der Sachbearbeiter, „dann geht der Kleinkrieg eben weiter.“ Jochen Grabler