BRIDGE — DAS STIEFKIND DES DEUTSCHEN DENKSPORTS

Bridgespieler mogeln nicht

Berlin (taz) — Manche mögen dem Vorurteil verfallen sein, Bridge sei nur ein Spiel für das spießige Bildungsbürgertum. Daß dem nicht so ist, beweist der Berliner Bridge-Club „BC 52“, der dieses Jahr sein 40jähriges Jubiläum feiert.

Die 52 steht dabei nicht etwa für das Durchschnittsalter der Mitglieder oder die Anzahl der für das Spiel erforderlichen Karten, sondern vielmehr für das Gründungsjahr 1952. Dreimal wöchentlich findet sich das gemischteste Publikum, das man sich vorstellen kann, zum Bridgewettbewerb in einem Saal ein. Die Palette reicht vom Gelegenheitsarbeiter zum Akademiker und von der Studentin bis zum Hausmann. Alle haben eines gemeinsam: Eine Spielleidenschaft, die nicht selten zu einer Art Fachidiotentum führt und andere Interessen kaum mehr zuläßt.

Die schillerndste Persönlichkeit des 170 Mitglieder zählendenden Berliner Clubs ist die 87jährige Vizepräsidentin Olga „Lilly“ Rabner, eine gefürchtete Gegnerin am Tisch, die in punkto Besessenheit noch immer alles und jeden schlägt. So klagte sie eines Morgens um acht Uhr nach einer durchzockten Nacht in einer Spielerkneipe: „Ich kann nichts mehr tun, ich kann nicht schlafen, ich kann nur noch rauchen und Bridge spielen. Ihr könnt mich doch jetzt nicht hier hängen lassen!“

Wann auch immer man jemandem gegenüber erwähnt, daß man Bridge spielt, kommt garantiert die Frage, ob das nicht das Spiel für alte Damen sei. Das Gegenteil ist der Fall. Obwohl Bridge zu den wenigen Dingen auf der Welt gehört, die man mit zunehmendem Alter immer besser beherrscht. Es ist ein sehr komplexes Spiel. So kann man also davon ausgehen, daß die alten Ladies bereits in jungen Jahren seiner Faszination erlagen und diesem angenehmen Denksport deshalb bis ins hohe Alter fröhnen. Auch unter den Herren gibt es natürlich passionierte Bridgespieler. Prominente Beispiele sind Omar Sharif und Oskar Lafontaine.

Und Bridge lernen ist auch gar nicht schwer. Die Voraussetzungen dafür sind im Grunde genommen ganz einfach: schließlich braucht man dafür nicht mehr als 52 Spielkarten, drei Mitspieler und einen Tisch. Alles weitere regelt sich schnell von selbst.

Dennoch ist das ganze schon ernstzunehmender Sport. So findet in Dänemark jährlich ein dreitägiges Denksportfestival statt, in dem neben Schach und Go auch für Bridge ein Tag angesetzt wurde. Glück, wie bei anderen Kartenspielen, spielt hier keine Rolle. Mogeln wird durch für Außenstehende kurios wirkende Hilfsmittel ausgeschlossen.

Höhepunkte solcher Maßnahmen sind über den Tischen angebrachte Sichtblenden, die bei internationalen Turnieren den Augenkontakt der Spieler unterbinden. Dieser könnte beim Vorgang des Reizens, das wie beim Skat dem Spiel vorangeht, von Nutzen sein. Das Reizen ist nämlich die Seele des Spiels. Beim Bridge wird dadurch nicht nur, wie beim weit verbreiteteren Skat, der Wert des Spiels bestimmt, sondern auch die Anzahl der zu erzielenden Stiche.

Damit beim Reizvorgang keine unzulässigen Informationen gegeben werden können, wie es durch einen bestimmten Tonfall in der Stimme möglich wäre, erhält jeder Mitspieler eine „Bidding-Box“. Alle Gebote sind auf kleinen Kärtchen verzeichnet, die sich in diesem Kästchen befinden. Beim Reizen legt jeder die Kärtchen mit seinen Geboten sichtbar vor sich auf den Tisch. Auf diese Weise fällt während des Spielens kein überflüssiges Wort.

Außerdem spielt man auch niemals allein, sondern hat für die Dauer eines Turniers einen festen Partner, der einem stets gegenüber sitzt. Wie beim Schach, beabsichtigt man beim Turnierbridge das Ego der Gegner zu zerstören. Clubmitglied Horst Krämer meint dazu: „Das Schöne am Bridge ist, daß man, sofern dies nicht klappt, mit seinem Frust nicht allein dasteht. Man hat immer noch seinen Partner, den man zur Verantwortung ziehen kann.“

Dennoch gilt die Höflichkeit gegenüber dem Partner als Haupttugend. In der Praxis bereitet das jedoch größte Schwierigkeiten. Angenehme Zeitgenossen wandeln sich am Kartentisch oftmals zu zänkischen Unholden. Angeblich sind am Bridgetisch schon Ehen zerbrochen. Auch Freundschaften sollen dort schon ein abruptes Ende gefunden haben.

Trotz allem ist Bridge ein tolles Spiel. Ich kann also jedem nur empfehlen, der damit rechnet alt zu werden, es vorher unbedingt noch zu lernen. Kirsten Niemann