„Die Welt wird doch ohnehin immer brutaler“

■ Ein Interview mit dem Geschäftsführer der Frankfurter Konzertagentur Hammer-Promotion GmbH, Michael Löffler, über die „Metal“-Szene und zu „Fascho“-Bands in Deutschland

taz: Die saarländische Friedensaktivistin Christa Jenal forderte vor Monatsfrist in einem Offenen Brief an das Innenministerium ein Auftrittsverbot für angeblich gewaltverherrlichende, sexistische und neofaschistische Gruppen aus der sogenannten Death-Metal-Szene. Danach brach ein Sturm der Entrüstung los — und ein nicht involvierter Beobachter konnte den Eindruck gewinnen, daß „Death-Metaller“ eigentlich brave Chorknaben sind, denen nichts wichtiger ist, als die Protektion ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wie ist die Metal-Szene denn nun tatsächlich strukturiert?

Michael Löffler: Unter diesen Leuten, die „Metal“ hören, gibt es einen etwa gleich großen Anteil — oder vielleicht doch einen etwas größeren Anteil — von Menschen rechter Gesinnung, wie es ihn auch unter Rap- Fans oder Fußballanhängern gibt. Und es gibt Gruppen, die die Bedürfnisse dieser Leute befriedigen. Proportional zum gesamten Genre gesehen, liegt die Anzahl der Gruppen in der Szene, die neofaschistische oder gewaltverherrlichende Inhalte über die Musik transportieren, maximal leicht über dem Durchschnitt in der Rock- und Pop-Musik.

Death Metal: Vorbild „Slayer“

„Heavy Metal“ ist aus dem Hardrock der 60er und 70er Jahre entstanden, als es Gruppen wie Deep Purple gab. Diese Szene hat sich in den 80ern weiterentwickelt und verzweigt. Die Hardrocker heute sprühen sich einen halben Liter Haarspray auf den Kopf und sehen aus wie Tunten. Die extremste Spielart dieser Musik ist der „Death Metal“. Da werden die Instrumente richtig geprügelt, und dazu wird geröhrt, gestöhnt und gegrunzt. Zum Teil versuchen diese Bands so schnell zu spielen wie es nur geht. Zum Teil wird extrem langsam gespielt — etwa im Stil von Black Sabbath in den 70ern. Bis „Death Metal“ aufkam, war „Trash Metal“ das Extremste im Hardrock. Bands wie Metallica, die vom „Thrash Metal“ kommen, sind inzwischen aber massenkompatibel geworden.

Wenn man sich mit den Texten mancher Bands aus der Szene beschäftigt, kommt man schon zu dem Schluß, daß Gewalt oft eine zentrale Rolle spielt. Und Bands wie Slayer kann doch eine geistige Nähe zum Nazismus nicht abgesprochen werden.

Die beschreiben halt die Situation, in der sich viele dieser Leute, die diese Musik machen, befinden — etwa in New York oder in Los Angeles.

Ist das also nur die alte Botschaft: Macht kaputt, was euch kaputt macht?

Das glaube ich nicht. Diese Leute leben heute in einem anderen Umfeld, als das noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Bei Slayer liegt die Sache aber schon anders. Slayer ist keine „Death Metal“-Band, sondern gehört ins „Thrash“-Lager. Allerdings haben sich viele „Death Metal“-Gruppen von Slayer inspirieren lassen, weil die zu einem Zeitpunkt, als das noch nicht üblich war, relativ extreme Musik gemacht haben. Daß Slayer heute in die Fascho-Ecke gedrängt wird, hat die Band tatsächlich selbst zu verantworten. Um zu provozieren und um Aufsehen zu erregen, war Slayer offenbar jedes Mittel recht. Der Gitarrist etwa hat eine Gitarre, auf der die Namen aller SS-Totenkopfdivisionen stehen. Und die haben auch Stücke im Repertoire, wie das von Frau Jenal in ihrem Offenen Brief zitierte Teil Angle of Death über den KZ-Arzt Mengele. Die ganzen Grausamkeiten in den KZs werden dort breit beschrieben.

Gibt es denn Bands, mit denen Hammer-Promotion keine Verträge abschließen würde?

Slayer wäre eine solche Gruppe, obgleich die bis zu 6.000 Leute zu einem Konzert ziehen können — und wir das Geld gut gebrauchen könnten. Und um die ganzen Gruppen, die sich ein satanistisches Image geben, machen wir einen Bogen. Das Ganze ist aber eher Kinderkram. Ich glaube nicht, daß da ernsthafte Satanisten am Werk sind.

Gibt es denn Gruppen, von denen Du sagen würdest, daß sie eindeutig faschistisch oder neofaschistisch orientiert sind?

Die gibt es. Die indizierten Platten etwa der Böhsen Onkelz sind in der rechten Szene nach wie vor gefragt. Es gibt einige englische Bands, etwa Screwdriver, die Fascho-Skinhead- Legende, die schon seit zwölf Jahren einen Namen haben, und die eigentlich aus der Punk-Szene kommen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß in vielen besetzten Häusern Screwdriver gehört wurde. Die sind danach klar in die rechte Ecke abgedriftet — als die National Front in England an Bedeutung gewann. Screwdriver sind erst kürzlich in der Ex-DDR aufgetreten. Da gab es richtig was auf die Fresse. Und ein Bandmitglied wurde verhaftet. In Deutschland existieren Bands wie Störkraft, Noie Werte, Sturmtruppen und Cotzbrocken — eine Gruppe die von der Bundesprüfstelle indiziert wurde. Deren Label heißt Rock-o-Rama in Brühl. Die haben meines Erachtens mit „Death- Metal“ nichts am Hut, sondern produzieren Skinhead- und Nazimusik.

Selbstkontrolle der Branche funktioniert

Ist denn Skinhead- und Nazimusik jetzt ein eigenes Genre innerhalb des Hardrock?

Nicht unbedingt. Die einen spielen eher so Musik à la Tote Hosen, etwa die Böhsen Onkelz. Es gibt andere, die machen eher progressiven Hardrock. Und es gibt auch Bands im Rap-Bereich, die sich nicht unbedingt als Nazibands zu erkennen geben, die aber eindeutig Texte gegen Juden — nicht aus der Sicht des Dritten Reiches, sondern eher aus der Sicht des Hinterhofjungen aus der Bronx — verfaßt haben.

Gibt es bei den Veranstaltern in Sachen Fascho- und Nazimusik eine Art Ehrenkodex?

Im großen und ganzen werden Veranstaltungen mit diesen Gruppen von seriösen Konzertagenturen nicht organisiert. Wer sich mit Bands erst ab einer gewissen Größenordnung beschäftigt, hat hier ohnehin keinen Handlungsbedarf. Mit Ausnahme der Böhsen Onkelz vielleicht hat sich keine Fascho-Band bislang flächendeckend profilieren können. Falls die Onkelz eine Deutschland-Tournee absolvieren könnten, glaube ich schon, daß da zwei- bis dreitausend Leute pro Konzert auftauchen würden — in Westdeutschland. In Ostdeutschland bestimmt noch mehr. Doch bisher haben die bei keinem Veranstalter ein Bein auf den Boden bekommen. Die paar Konzerte, die die gemacht haben, sind eher über Direktkontakte gelaufen. Ich weiß von zwei Auftritten, in Berlin und bei Hanau. In Bremen ist vor kurzem ein angekündigtes Konzert der Onkelz geplatzt, weil es eine massive Gegenbewegung gab. Im Grunde gibt es keine Agentur mit einem Namen, die solche Nazigruppen unter Vertrag nehmen würde.

Wie stehst Du als Veranstalter zu einem generellen Auftrittsverbot für Fascho- und Nazigruppen.

Ich halte nichts von Verboten. Da passieren dann solche Lachnummern wie in Bayern, wo Alice Cooper Auftrittsverbot bekam — nur in Bayern, sonst nirgendwo in Deutschland. Ich glaube, daß die Selbstkontrolle in der Branche bislang funktioniert hat. Extreme Platten landen ja schon heute auf dem Index. Verboten wurde eine Platte der Onkelz mit dem Endreim aus dem Horst-Wessel- Lied: „Heute gehört uns Deutschland — und morgen die ganze Welt.“ Ein anderes Onkelz-Stück, in dem mehrfach der Ausdruck „Türkenfotze“ vorkommt, wurde gleichfalls verboten. Solche punktuellen Verbote haben sicher ihre Berechtigung, obgleich die Bundesprüfstelle auch öfter übers Ziel hinausschießt. Mit generellen Verboten ist der Neonazi- Szene ohnehin nicht beizukommen. Da finden die Konzerte in Kellern und Hinterhöfen statt — oder am Baggersee.

Abstrahiert von den eindeutigen Fascho- und Nazibands gibt es aber im Hardrock-Bereich eindeutige Tendenzen hin zur Gewaltverherrlichung. In der Zeitschrift 'Rock Hard‘ werden Horrorvideos verdealt, die Bühnenshows werden immer martialischer. Da prangen zerfetzte Leiber auf den Plattencovern — und der Sound erinnert an Maschinengewehrsperrfeuer. Was sind die Ursachen für diese Entwicklung?

Um die Eltern zu erschrecken

Was das Auftreten anbelangt, so glaube ich, daß sich die Kids immer neue Sachen ausdenken müssen, um ihre Eltern zu erschrecken. In den 60er Jahren hat es genügt, sich die Haare wachsen zu lassen. In den 80ern hat man sich als Punk die Haare grün gefärbt und zerrissene Jeans getragen. Heute muß man als 15jähriger offenbar noch einen draufpacken, um die Alten zu schocken, die sich per Video Stephen- King-Filme ansehen — oder Kinderpornos. Und was die verständnisvolle, liberale Elterngeneration heute propagiert, das ganze Friedenspathos, die ganze Psychoanalyse, da haben die Kids heute keinen Bock mehr drauf. Und das hat ja auch wenig mit der realen Welt zu tun. Die Welt wird doch ohnehin immer brutaler — und das schlägt durch bis ins Fernsehen.

Was würdest Du abschließend Menschen wie Frau Jenal empfehlen, die in Sachen „Death Metal“ und Fascho- und Nazimusik nach dem Staatsanwalt rufen?

Mehr Gelassenheit auf jeden Fall. Ein generelles Verbot würde die ganze Sache für die Kids nur noch reizvoller machen. Nach der Indizierung haben etwa die Onkelz unterm und überm Ladentisch mehr Platten als vorher verkauft — ohne daß ich sagen möchte, daß die Verbote in diesem speziellen Fall unberechtigt gewesen seien. Daß Verbote nichts bringen, weiß man doch seit der Prohibition.

Interview:

Klaus-Peter Klingelschmitt

Eigentlich sollte an dieser Stelle das angekündigte Streitgespräch zwischen Konzertveranstalter Löffler und „Death Metal“-Kritikerin Christa Jenal stehen. Frau Jenal hat den Gesprächstermin aus „persönlichen Gründen“ allerdings kurzfristig abgesagt — und auch keinen späteren Termin benennen wollen.kpk