Wenig Nischen für Mauerblümchen

Kultur und Bildung im TV: Eine Diskussion auf der Medienmesse „Medianet“  ■ Aus München Corinna Emundts

„Wenn ich höre, was im Fernsehen alles als Kultur bezeichnet wird“, seufzte aspekte-Leiter Johannes Willms auf der Münchner Medienmesse „medianet“, „dann stehen mit die Haare zu Berge.“ Offenbar aus eigener Hilflosigkeit bezüglich der Frage, was denn Kultur im Fernsehen so alles sein kann, veranstaltete die bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) zusammen mit dem Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) des Bayerischen Rundfunks auf der Messe ein Begleitprogramm zum Thema „Defizite und Chancen des Kultur- und Bildungsprogramms“.

Denn auch wenn laufend Privatsender vor der Tür der BLM stehen, um zu behaupten, sie kämen mit Spielfilmen und Gameshows ihrem Kulturauftrag im Rundfunkstaatsvertrag ausreichend nach, fristen Kultur und Bildung auf bundesdeutschen Bildschirmen ein Mauerblümchendasein.

Der Göttinger Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Weiß legte eine gerade abgeschlossene Studie über den Anteil von Kultur und Bildung im Fernsehprogramm vor. „Kulturvermittlung findet heutzutage zunehmend in den Programmnischen der öffentlich-rechtlichen Satelliten- und dritten Programme statt“, lautet sein Fazit. Mit kulturellen Infosendungen kämen ARD und ZDF gerade mal auf 14 Prozent Programmanteil, die Privaten auf 6 Prozent. Dagegen verzeichnen die Satellitenprogramme und dritten Kanäle mehr als 30 Prozent.

Noch trauriger sieht es bei der Kulturkritik aus: Die Öffentlich- Rechtlichen bieten 7, die Privaten 2 Prozent. Angesichts solcher Defizite, so der Kommunikationswissenschaftler, sollten sich die Chefredakteure überlegen, ob sie ihrem Kultur- und Bildungsauftrag gerecht werden.

„Kulturkritik muß weiterhin im Hauptprogramm Platz haben“, sagte Johannes Willms. Sie dürfe nicht in Spartenprogramme abgeschoben werden, darin waren sich alle Experten einig. Wenig Rückhalt hat Willms dabei offenbar im eigenen Sender. Das ZDF verbannte kürzlich aspekte auf einen unpopulären Sendeplatz am späten Dienstagabend und strahlt die vorher wöchentliche Kultursendung nur noch alle zwei Wochen aus. Auch Medienjournalist Karl-Otto Saur plädierte für Kultur im Hauptprogramm. Ein Kulturkanal wie „arte“ sei zwar ein „äußerst reizvoller Gedanke“, erreiche jedoch zu wenig Zuschauer. Saur forderte mehr Auflagen für die öffentlich-rechtlichen und privaten Hauptprogramme. Die Fernsehmacher wüßten nicht genau, wie ein Idealprogramm auszusehen habe.

Wieviel Kultur braucht das Fernsehen im Zeitalter von Mini-Playback-Show und Lindenstraße? Oder ist die Lindenstraße vielleicht schon (Fernseh-)Kultur? Als BR-Kulturchef Walter Flemmer darüber räsoniert, ob ein Feuerwehrball im Fernsehen gezeigt werden soll, wischt sich Johannes Willms nur noch theatralisch den Schweiß von der Stirn.