Der Aufstand der alten Senioren

■ Ein Hamburger Vorort wurde am Wochenende von Fossilien heimgesucht: Unheilbare Tennis-Altstars um Björn Borg ließen sich beim ATP-Altenturnier die Bälle um die Ohren wehen

Hittfeld (taz) — „Das waren noch Zeiten“, schwelgte ein Mittvierziger beim ATP-Seniorenturnier in Hittfeld, als er das Doppel John Newcombe/Björn Borg auf dem Tennisplatz erblickt. „Zeiten, in denen Tennis noch als Kunst zelebriert wurde“, weiß auch der erst 29jährige Frank Lichte, Turnierdirektor dieser Show einstiger Tennisgrößen.

Vergangenes Wochenende trafen sich die Tennisstars der sechziger und siebziger Jahre in dem Hamburger Vorort, um sich im Rahmen der ATP-Senior-Tour wieder einmal wehmütig an den Glanz längst vergangener Tage zu erinnern.

Am Start war ein illustres Feld: Stan Smith (USA), Manuel Orantes (Spanien), Ilie Nastase (Rumänien), Balasz Taroczy (Ungarn), Wilhelm Bungert (Mannheim), Victor Pecci (Paraguay), Tony Roche (Australien), Mansur Bahrami (Iran), Niki Pilic (München), Peter Fleming (USA), Tom Okker (Niederlande), Tomas Smid (CSFR), Ken Rosewall (Australien), Jürgen Fassbender (Karlsruhe), John Newcombe (Australien), Björn Borg (Schweden).

Natürlich war Borg der absolute Headliner dieser Veranstaltung. Der Mann, der fünfmal hintereinander Wimbledon gewann und seither von einem großen Comeback träumt. Davon, wieder einmal im Rampenlicht der Tennisöffentlichkeit zu stehen wie seine (Tennis-)Zeitgenossen Jimmy Connors und John McEnroe.

Ein Unterfangen, das auch in Hittfeld gänzlich mißlang. Zwar wählten ihn 92 Prozent der Zuschauer zu dem Spieler, der in den letzten zwanzig Jahren das Welttennis am nachhaltigsten beeinflußt hat, und für die meisten Zuschauer war sein Name der Grund, nach Hittfeld hinauszufahren. Sportlich jedoch überzeugten andere, die nicht wie Borg in dem Streß standen, ihr Salär durch Tennismatches mit Sponsoren und Politikprominenz (Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder) nebenbei aufbessern zu müssen.

Borg, im Doppel mit John Newcombe (Australien) bereits in der Vorrunde gescheitert, unterlag im Einzel-Halbfinale dem Ex-Becker- Coach Tomas Smid, der mit aggressivem Tennis aufwartete. Dennoch gibt sich der zweckoptimistische Schwede nicht geschlagen. „Ich spiele Tennis, weil es mir Spaß macht, und allein für mich“, gab er zum besten, als er sein Preisgeld von 1.500 Dollar kassierte. Zudem hat er nach wie vor große Pläne. Im kommenden Jahr plant Borg die Rückkehr zu Grand-Slam-Veranstaltungen, um zu erfahren, „wie weit ihn sein Spiel in seinem Alter nach so langer Pause noch bringt“. Eine Entscheidung, die ehemaligen Borg- Fans das Blut in den Adern gefrieren läßt, ist das schmähliche Scheitern doch abzusehen.

Wahrlich brillant waren in Hittfeld nur die ganz alten. Etwa Tom Okker, der als erfolgreichster Doppelspieler aller Zeiten in die Tennisannalen eingegangen ist und erst im Doppelfinale mit seinem Partner Smid gegen Bahrami/Roche verlor. Oder aber der älteste Spieler des Turniers, Ken Rosewall, der das Grand- Masters-Shoot-Out gewann — ein Einzelwettbewerb, wobei nur ein Tie-Break-Shoot-Out gespielt wird. Kai Ruländer

Grand-Masters (über 45 Jahre), Viertelfinale: Tom Okker (Niederlande) — Stan Smith (USA) 5:7, Ilie Nastase (Rumänien) — Niki Pilic (München) 7:4, Wilhelm Bungert (Karlsruhe) — Tony Roche (Australien) 10:8, John Newcombe (Australien) — Ken Rosewall (Australien) 9:11, Halbfinale: Smith — Nastase 7:5, Bungert — Rosewall 2:7, Finale: Rosewall — Smith 4:7, 7:4, 1:2/Aufgabe Smith wegen Verletzung.

Doppel, Finale: Tony Roche/Mansur Bahrami (Australien/Iran) — Tom Okker/Tomas Smid (Niederlande/CSFR) 7:5, 6:3.

Einzel/Shoot-out: Young-Masters (über 35 Jahre): Viertelfinale: Mansur Bahrami (Iran) — Tomas Smid (CSFR) 7:4, Björn Borg (Schweden) — Balasz Taroczy (Ungarn) 7:5, Manuel Orantes (Spanien) — Jürgen Fassbender (Karlsruhe) 7:3, Victor Pecci (Paraguay) — Peter Fleming (USA) 7:4; Halbfinale: Smid — Borg 7:4, Orantes — Pecci 3:7, Finale: Smid — Pecci 7:2, 3:7, 7:5.