Mehr Rechte für Opfer

»Weißer Ring« legte Bilanz vor / Opferanwalt auf Staatskosten? /  ■ Opferentschädigungsgesetz weitgehend unbekannt

Der „Weiße Ring“ hat eine bessere staatliche Betreuung von Gewaltopfern gefordert. Hamburgs Vorsitzender Heinz Baumgart gestern: „Gewaltopfern muß ein Opferanwalt auf Staatskosten zur Verfügung gestellt werden, um die psychische Belastung im Verfahren zu bewältigen.“ Der „Weiße Ring“ ist ein konservativer Verein aus Freizeitkriminologen, dem auch ZDF- Fahnder Eduard Zimmermann angehört, der sich die Betreuung von Gewaltkriminalitätsopfern auf seine Fahne geschrieben hat.

In den letzten Jahren sind vom Verein nach eigenen Angaben allein in Hamburg 4695 Betroffene von den 70 HelferInnen betreut worden, für 2450 Personen leistete er 3,8 Millionen Mark finanzielle Hilfe. Im ersten Halbjahr 1991 nahm der Weiße Ring 290 Personen unter seine Fittiche. Die Unterstützung reicht von psychischer Betreuung bis zur anwaltlichen Vertretung: Stolz berichtete Baumgart über einen Fall, bei dem es gelang, einer vergewaltigten Frau eine neue Wohnung zu verschaffen, weil sie es im selben Haus mit dem Täter nicht mehr aushielt.

Für die juristische Vertretung wurde ein „Beratungsscheck“ eingeführt, der besonders „sozial schwachen Opfern“ bei der Durchsetzung ihrer Rechte helfen soll. Dieser Scheck ist für eine einmalige Beratung bei einem Wahl-Anwalt gedacht, wo sich das Opfer über Rechte im Strafprozeß oder gegen die Sozialversicherung informieren kann.

Der Weiße Ring monierte, daß Betroffene immer noch nicht offiziell von den Behörden (Polizei, Staatsanwaltschaft) über ihre Rechte aufgeklärt werden. So gebe es seit dem 1. April 1987 das sogenannte „Opferentschädigungsgesetz“, von deren Existenz selbst Richter nichts wüßten. Daher hätten 1991 von 7913 Gewaltopfern nur 481 einen Antrag auf soziale oder juristische Unterstützung gestellt, obwohl viel mehr „Opferzeugen“ beispielsweise ein Anwalt zugestanden hätte.

Als Unding bezeichnete es der Verein, daß dieser Opferschutz vor den Jugendgerichten nicht gelte. Baumgart: „Es darf nicht sein, daß ein 15jähriges Sexualopfer gegen den 17jährigen Sexualtäter jeglichen Opferschutz verliert, wie er bei Erwachsenen normales Recht ist.“ Von etwaigen Plänen der Jugendrichter, Ladendiebstähle im Gegensatz zum Handtaschenraub nicht mehr als Straftat zu behandeln, möchte der Weiße Ring aber nichts wissen. Baumgart: „Beides ist Diebstahl und muß geahndet werden.“ Sonst würde bald wieder das Faustrecht mittels Schwarzer Sheriffs bei denjenigen regieren, die es sich leisten können. Kai von Appen