Wohnungsbau bedroht grüne Teilzeit-Heimat

■ Bergedorfer Kleingärtner fürchten um ihre Zukunft/Wasserschutzgebiet soll bebaut werden/Entscheidung 1993

/ Wasserschutzgebiet soll bebaut werden / Entscheidung 1993

Kommt nach 63 Jahren das Aus für Hamburgs älteste Kleingartensiedlung? 300 Schrebergärtner, die sich zwischen dem Curslacker Neuen Deich und der Autobahntrasse Hamburg-Geesthacht angesiedelt haben, befürchten ihre Vertreibung. Denn das 100000 Quadratmeter große Grüngelände ist eine der 15 Flächen, deren Eignung für den Wohnungsbau die Stadtentwicklungsbehörde (Steb) zur Zeit untersucht. Anfang 1993 will sie ihre Prüfungs-Ergebnisse vorlegen — dann könnte das Todesurteil für die Kleingartensiedlung fallen.

Für die 81jährige Wilma Gramkow, die seit 37 Jahren mit ihrem Mann die Wochenenden hier genießt, ist die behördliche Untersuchung eine „Schweinerei“. Sie kann „überhaupt nicht verstehen, daß die Behörde gerade in diesem Wasserschutzgebiet, durch das zudem die Atommülltransporte aus dem AKW-Krümmel rollen, Wohnungen in großem Maßstab bauen will“.

Vielen der hier angesiedelten KleingärtnerInnen droht nun nicht zum ersten Mal ein Zwangsumzug. Denn auf dem Bergedorfer Gelände haben etliche SiedlerInnen eine zweite Teilzeit-Heimat gefunden, deren ehemaligen Lauben bereits Straßenprojekten und Wohnsiedlungen zum Opfer fielen.

Das Gelände gilt als letzte natürlich gewachsene Kleingarten-Idylle in Hamburg. Hier gibt es keine Vereinsmeierei, keine strengen Parzellierungen, keine Normen, wie hoch Gräser und Büsche wachsen dürfen. Unter Experten gilt die Siedlung als Öko-Nische. Klaus Scheerer von Robin Wood: „Hier nisten noch Störche und seltene Singvögel, flattern die verschiedensten Schmetterlingsarten herum.“

Für Verärgerung sorgt in der Bergedorfer Grünsiedlung vor allem, daß Steb-Chefin Traute Müller noch im Juni mehrfach verkündet hat: „Hamburgs Dauerkleingartensiedlungen werden dem Wohnungsbau nicht geopfert.“ Der Trick dabei: „Nach den Buchstaben des Gesetzes gelten die 1929 entstandenen Parzellen nicht als „Dauerkleingärten“, da sie planungsrechtlich nie abgesichert wurden. Steb- Sprecher Andreas Rieckhof: „Da die Hamburger den Wohnraummangel als größtes Problem der Stadt sehen, können wir die Bebauung von Kleingartensiedlungen nicht zum Tabu erklären.“ Für jede dem Wohnungsbau geopferte Grün-Parzelle werde aber, so Rieckhof weiter, „an anderer Stelle eine neue entstehen“. Marco Carini