Kunst zum Ausschneiden

■ Ein Haus im Haus im Haus: Ein Skulpturen-Rundgang durch die Weserburg in 13 Stationen (3)

Das Markenzeichen Daniel Burens ist der Streifen auf Stoff oder Papier, im immer gleich dimensionierten Wechselspiel Weiß-Farbe-Weiß, jeder Streifen 8,7 Zentimeter breit.

Die Anwendung dieses Prinzips aber ist immer wieder eine andere. Von den Sandwich-men, die 1968 mit umgeschnalltem Gestell durch Paris liefen, bis zu Site in situ von 1984, dem in der Weserburg aufgestellten Kunstwerk, konnte man die „Streifen“ als Segel, Fahnen, Raumteiler, auf Plätzen, Plakat- und Häuserwänden, auf Treppen und Zäunen, in Passagen, Untergrundbahnen-und Museen antreffen.

Burens Arbeiten beziehen sich auf den jeweiligen Ort. Fast immer werden sie nach den Ausstellungen zerstört, und es bleibt nur eine Fotodokumentation.

In der Weserburg braucht sich der Besucher nicht mit Erinnerungsfotos zu begnügen — wenngleich auch diese Arbeit für einen anderen Ort konzipiert wurde. Zur aktiven Erkundung kann er eintreten in dieses Haus im Haus, das nochmals von einem Haus aus drei Wänden eingeschlossen ist. Oder tritt er in ein Zelt, eine Marktbude, eine Badekabine? Das Spiel mit dem Streifenmotiv ist zugleich ein Spiel mit unserer Wahrnehmung, ein Austausch von Innen und Außen, von Kunstwerk und funktionalem Objekt. Kunst findet im Rahmen des Museums statt. Was außen Segel, Fahne, Tapete oder Markise ist, verändert mit seinem Ort auch seine Bedeutung, wird innen zum Kunstwerk. Aber kann das Kunstwerk auch den Weg aus dem Museum nach außen gehen? Wird Burens Arbeit Site in situ, am Strand aufgebaut, zur Badekabine? Fest steht nur, daß die Arbeit dort nicht mehr die selbe wäre. Die Situation und die Herangehensweise des Betrachters sind anders.

Das Museum ist der Ort, der die Kunstobjekte ausweist, bestätigt und aufwertet. Aber der frische Wind weht am Meer, wo eine Markise eine Markise ist. Die Werke Daniel Burens beruhen auf dieser Doppeldeutigkeit: Das Museum ist für ihn „der Ort, wo sich die Kunst entwickelt und wo sich die Kunst zum Sterben hinlegt; aber das Museum wird in Zusammenhang mit anderen Orten gebracht, die ihm vollständig fremd sind, und in welchen es sich widerspiegelt, ohne sich allerdings wiederzufinden“.

In diese verschiedenen Räume und Zusammenhänge kann der Betrachter sich ganz wörtlich hineinbegeben. Er kann unterschiedliche Blickpunkte einnehmen und das Spiel ständig variieren: Die leichte, mit Markisenstoff bespannte Konstruktion ist zugleich Hütte, Skulptur und Malleinwand. Die Ausschnitte der Tür- und Fensteröffnungen hängen wie Gemälde an den umstehenden Museumswänden. Innen wird

Außen, aus einem Ort wird eine Situation. Luftige Stoffwände werden eingemauert, ein kleines architektonisches Kunstwerk irritiert durch seine bewußte Banalität. Aus einem konkret vor uns stehenden Ob

hierhin bitte den Bau

aus gestreiften Stoffen

(direkt bis an die

Unterkante Balken kleben)

jekt wird eine Erinnerung an eine frühere Ausstellung in einem anderen Museum.

Nun, beherrschen Sie die Spielregeln? Christine Breyhan / Foto: Tristan Vankann