Nachgefragt

■ ÖTV: Sorge um Verfassungsschutz

Die „ÖTV-Fachkommission Verfassungsschutz befürchtet Arbeitsunfähigkeit des Landesamtes in Bremen“, mit dieser alarmierenden Meldung ging die Bremen ÖTV gestern an die Presse — vier Tage, nach dem ein Verwaltungsgericht dem Bremer VS eine rechtswidrige Telefonüberwachung bescheinigt hat. (vl. taz 10.7.)

taz: Die ÖTV sorgt sich um den Verfassungsschutz. Warum?

Hans-Joachim Reimann, Pressesprecher der ÖTV: Es geht nicht um Sorge um den Verfassungsschutz, sondern es geht um Mitgliederinteressen. Jedes ÖTV-Mitglied und jeder Arbeitnehmer, egal wo es beschäftigt ist, hat Anspruch darauf, daß es entsprechend betreut wird...

Ausgerechnet vier Tage nachdem in Bremen ein Urteil ...

Das ist Zufall. Ich stehe nicht unkritisch den Aufgaben des Verfassungsschutzes gegenüber, ganz im Gegenteil, aber ich gehöre nicht zu denen, die solchen Aufgaben mit den Leuten selbst gleichstellen.

Nun hat der VS gerade per Telefonüberwachung festgestellt, daß sich jemand musikalisch mit Stive Biko befaßt. Da könnte ja eventuell etwas Arbeitskraft gespart werden.

Aber da sind doch die Eingrffe in das Fernmeldegeheimnis eingestellt worden, nachdem man festgestellt hat, daß das Nonsens ist. Das kennt man aus früheren Zeiten oder auch aus dem Bundesamt sicherlich nicht.

Auch Überfälle auf Ausländerwohnheime, meint die ÖTV, sollen Arbeitsschwerpunkte des VS werden. Sind das nicht Polizei-Aufgaben?

Die haben ja oft einen rechtsradikalen geistigen Hintergrund. Parteiverdrossenheit hat doch auch eine Ursache...

Ist aber auch kein Thema für den Verfassungsschutz.

Nein. Aber das verweist auf einen rechtsradikalen Nährboden. Solche Tendenzen kann man im Vorfeld zur Kenntnis nehmen.

Wahrscheinlich gibt es nicht mehr als 51 ernsthaft verfassungsgefährdende Personen in Bremen. Das bedeutet: Auf jeden Verfassungsfeind kommt ein Beamter des VS.

Das ist vielleicht Ihr Eindruck. Es geht aber nicht um die krampfhafte Suche nach Aufgaben. Wenn es diese Behörde nun mal gibt, dann muß man sagen: Laßt den Kack, der jahrelang gelaufen ist, die Regelanfragen und und diesen ganzen Krempel, und konzentriert Euch auf die wirklichen Probleme.

Warum fordert die ÖTV nicht, daß die 51 Verfassungsschützer Stellen in den polizeilichen Dienst übernommen oder ins Sozialamt Bereich „Rechtsextremismus unter Jugendlichen“ versetzt werden?

Diese Behörde ist bundesgesetzlich vorgesehen. Sie können auch das Finanzamt nicht abschaffen. Das ist auch eine unangenehme Behörde, aber sie muß sein. Natürlich gibt es andere Probleme, die wichtiger sind. Was den Angiff auf die Verfassung angeht: Eigentlich sind wir ja alle Verfassungsschützer: Wenn wir das Grundgesetz enst nehmen, müßten wir ja einiges tun, um das durchzusetzen, was da drinsteht. Int.: K.W.