Rent a CDU-Politiker

■ Die Sommerpause macht's möglich: CDU-Fraktion verleiht Abgeordnete

Berlin. Heutzutage kann man vom Auto über den Staubsauger bis hin zum/zur Mann/Frau für gewisse Stunden so ziemlich alles leasen — gegen Bezahlung versteht sich. Umsonst ist nur der Tod. Oder ein CDU-Fraktionsmitglied. Seit Montag kann man bis auf vorerst unbefristete Zeit kostenlos einen der 101 CDU-Fraktionsmitglieder »anfordern«, die in einer »neuen Form des Bürgergespräches- und kontaktes« der Idee von Volker Liepelt folgen und sich den politikverdrossenen BerlinerInnen stellen, um zu zeigen, daß »Politik nicht abgehoben gemacht wird«.

Die Sommerpause ohne Parlaments-und Ausschußsitzungen und das Nichtbevorstehen einer Wahl ermöglichen den Abgeordneten diese bisher einmalige »Zeitinvestition«, und die BerlinerInnen machen rege vom Leasing Gebrauch: Bis Dienstag nachmittag gingen 150 Anrufe ein. Diepgen und Landowsky stehen ganz weit oben auf der »Beliebtheitsskala« und können unmöglich allen Einladungen nachkommen. Im Moment sowieso nicht, beide sind im Urlaub. Der Regierende wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach die »Anforderung« seiner Person zu einem Straßenfest am 4. Oktober annehmen.

Derweil versuchen die »weniger gefragten« KollegInnen, Terminwünsche jeglicher Art wie Sportvereinsfeiern und Kaffeekränzchen zu erfüllen oder den Geburtstag einer 80jährigen Oma zum Erlebnis zu machen. Die Fraktionsmitglieder, so Liepelt, wissen Bescheid, daß wir »alle miteinander mehr tun müssen als sonst in den Sommerferien üblich«.

Liepelt selber, dessen Hobby Skat ist, wurde bisher zweimal »angefordert«. In den nächsten Tagen schon wird er mit zwei Berlinern zusammen seinem Hobby frönen können. Daß die politikinteressierten Bürger dabei versuchen werden, ihm in die »Karten zu schauen«, versteht sich von selbst. Und auch Liepelt weiß genau, worauf er sich einläßt: »Ich glaube schon, daß es in der Sache nicht bequem wird. Die Leute wollen uns die Meinung sagen, und es wird bestimmt auch mal hitzig zugehen. Keiner fordert uns an, um uns zu sagen wie nett wir sind.« Wenn in vier Wochen immer noch jemand anruft, so Liepelt, und einen Abgeordneten haben will, dann kriegt er den natürlich auch. Barbara Bollwahn

Siehe Querspalte auf Seite 17