QUERSPALTE: Abgeordneten-Verleih
■ Perspektiven einer bahnbrechenden CDU-Idee
Um ein Schreckgespenst namens Politik- und Parteienverdrossenheit zu vertreiben, ist die Berliner CDU-Fraktion auf eine ganz besonders pfiffige Idee gekommen. War es nicht schon immer Ihr heimlicher Traum, mit Klaus-Rüdiger Landowsky einen gemütlichen Abend auf dem heimischen Sofa zu verbringen oder mit Ebi Diepgen Skat zu spielen? Manchmal werden Träume wahr. Sie können auch mit Christa Blankenburg stickend über die leidige Frauenpolitik oder mit Harald Grieger kleingärtnernd über die noch leidigere innere Sicherheit plauschen, denn — diese Warnung muß hier ausgesprochen werden — die Promis Diepgen und Landowsky sind nur schwer zu bekommen, dafür aber 101 andere nette CDU-Abgeordnete. Die kennen Sie gar nicht? Dem kann abgeholfen werden. Ganz und umsonst und frei Haus, Anruf genügt — Motto: »Leih Dir einen Abgeordneten.« Die ob schlechter Wahlergebnisse und basisdemokratischer Gerechtigkeits-Komitees arg verschreckten Abgeordneten scheuen vor keinem persönlichen Opfer zurück und stellen sich in der parlamentarischen Sommerpause, in ihrer Freizeit, der politischen Verantwortung.
Es geht in der Tat um Großes, gilt es doch, mindestens das parlamentarische System der Bundesrepublik zu retten. Bürgernähe heißt das Zauberwort, raus aus den Parlamenten, ran an die Bürger. »Der Bürger«, der große Unbekannte, zumindest scheint die Zeichen der Zeit zu erkennen. Ähnlich wie bei der Berliner Anlaufstelle des »Komitees für Gerechtigkeit« stehen auch in der CDU-Fraktion im Schöneberger Rathaus die Telefone nicht mehr still. Den anderen Parteien sollte das ein Alarmzeichen sein, sich nicht etwa entspannt ins Sommerloch fallen zu lassen. Der politischen Phantasie sind doch wirklich keine Grenzen gesetzt: Warum so fragt man sich schon lange, gibt es keine parlamentarische Urlaubsbegleitung für Alleinstehende oder Abgeordnete, die einem beim Umzug helfen? Eine Agentur, die Volksvertreter ans Volk vermittelt, ist überfällig und nachgerade eine Marktlücke. »Der Bürger« wird es zu danken wissen — die nächsten Wahlen kommen bestimmt.Siehe auch Seite 20 Kordula Doerfler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen