Sinnlose ABM-Firma in den Sand gesetzt

■ Westunternehmer hatte drei Produktionsgesellschaften in Adlershof gegründet/ Förderung gestrichen/ Mitarbeiter stehen auf der Straße

Berlin. Am letzten Freitag klingelte bei den Mitarbeitern der Adlershofer Produktionsfirma »Umwelt-TV« der Telegrammbote. Absender: das Arbeitsamt Prenzlauer Berg. Die Beschäftigten, durchweg ABM-Kräfte, wurden für Montag in die Behörde gebeten. Dort eröffnete ihnen die stellvertretende Leiterin Hildegard Woythe, daß ihre AB-Maßnahme »mit sofortiger Wirkung vom heutigen Tage an« gestrichen sei. Den aufgelösten Beschäftigten gab man die Empfehlung, sich gleich arbeitslos zu melden. Die meisten von ihnen sind als ehemalige Mitarbeiter des Deutschen Fernsehfunks erst im Dezember abgewickelt worden, nun stehen rund 100 ABM-Kräfte vor dem nächsten Scherbenhaufen.

Dabei hatte alles so nett angefangen. In vertrauter Umgebung, auf dem Gelände des DFF, hatte kurz nach dem Ende der Einrichtung der Schwarzwälder Diplompädagoge Dr. Bruno Hennig, 35, drei kleine Produktionsgesellschaften angesiedelt. Neben der Umwelt-TV, die mit ihren Filmen zur »Förderung und Unterstützung des Umwelt- und Naturschutzes« beitragen wollte, gab es noch die Kultur-TV und die Industrie-TV. Alle drei Firmen hatten gemeinnützige Ziele. Als alleiniger Gesellschafter der drei GmbHs hatte sich Hennig auch gleich zum alleinigen Geschäftsführer bestellt. Im Sommer vergangenen Jahres beantragte er sieben Maßnahmen für 122 Teilnehmer, verteilt auf seine drei GmbHs. Volumen: 9,18 Millionen Mark. Das Arbeitsamt war zunächst ganz angetan und bewilligte großzügig, obwohl er seine GmbHs weder im Handelsregister eingetragen, noch die Gemeinnützigkeit nachgewiesen hatte — und, was noch schwerer wog, keine Bankbürgschaft für ein Zusatzdarlehen benannt hatte.

»Wir sind mit der Bewilligung bewußt ein Amtsverschulden eingegangen«, gesteht Hildegard Woythe. Aber man habe geglaubt, daß Hennig die Unterlagen beibringe. Hennig seinerseits glaubte, mit dem Bewilligungsbescheid sei alles klar. Die Auflagen kümmerten ihn wenig. Die Konsequenz: Das Arbeitsamt weigerte sich, die Lohnkostenzuschüsse anzuweisen, die Mitarbeiter bekamen über Monate kein Geld.

Die Merkwürdigkeiten häuften sich. So hatte Hennig, entgegen seinen vollmundigen Ankündigungen, keine ernsthaften Abnehmer für seine Produktionen. Die »Arbeit« erwies sich als reine Beschäftigungstherapie. Von Investitionen in Höhe von 1.127.000 Mark, die Hennig als Eigenanteil erbracht haben will, bemerkten die Mitarbeiter nichts. »Wir haben hier nur die alten DDR-Klamotten gedreht«, meint Christian Fiedler*, Redakteur bei Umwelt-TV. Als sich die ausstehenden Gehälter im April auf 550.000 Mark summierten, schickte Hennig Teile seiner Belegschaft auf Urlaub.

Ende April war er so weit, Konkurs anzumelden, da überwies ihm das Arbeitsamt einen Teil der Lohnkostenzuschüsse, machte aber die weitere Förderung von der Erfüllung der Auflagen abhängig. Während sich ein Teil der Belegschaft hinter ihren Chef stellte und Bittschriften an Abgeordnete formulierte, reichte es anderen. Über 15 Hennig-Geschädigte haben derweil Klage beim Arbeitsgericht eingereicht. In einem Fall erschien eine Anwältin mit einem dicken Geldbeutel und zahlte das ausstehende Gehalt noch im Gerichtssaal aus. Anstatt Hennig die Maßnahme frühzeitig zu entziehen, brauchte das Arbeitsamt bis Juli, um eine Entscheidung zu treffen. Wieviel Geld in eine völlig sinnlose ABM-Firma gesteckt wurde, verrät die Behörde nicht, da beruft man sich auf den Datenschutz. Man sei aber bemüht, »ab September eine neue Maßnahme mit einem neuen Träger zu innitiieren«, meint Hildegard Woythe, allerdings ohne Garantie, daß alle Hennig-Mitarbeiter dort unterkommen. Gabriele Bruch*, die im September hochschwanger sein wird, macht sich darüber keine Illusionen. mail

* Namen von der Redaktion geändert