Rabin erhält Rückenwind aus den USA

■ In seiner Antrittsrede vor der Knesset wandte sich der neue israelische Ministerpräsident direkt an die Bewohner der besetzen Gebiete/ Bereits am kommenden Wochenende wird US-Außenminister James Baker in den Nahen Osten reisen

Tel Aviv/Kennebunkport (taz AFP/APD) — Der amerikanische Außenminister James Baker wird in der kommenden Woche in den Nahen Osten reisen, um die Friedensverhandlungen „wieder anzukurbeln“. Dies habe US-Präsident George Bush dem israelischen Ministerpräsidenten Jizchak Rabin am Telefon mitgeteilt, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, vorgestern abend in Bushs Feriensitz Kennebunkport. Bush habe Rabin außerdem für Anfang August nach Kennebunkport eingeladen. Das genaue Datum stehe allerdings noch nicht fest. Rabin wäre der erste israelische Regierungschef, der Bush in seinem Ferienziel besuchen würde.

Vorgestern nacht hatte die israelische Knesset mit 67 gegen 53 Stimmen für die neue Koalitionsregierung von Jizchak Rabin gestimmt. Alle Abgeordneten der orthodox-religiösen „Shass“, der „Demokratischen Front“ und der „Arabischen Demokratischen Partei“ votierten für das Kabinett. Zu Beginn der Knesset-Sitzung hielt Ministerpräsident Rabin eine programmatische Rede, in der er u.a. die jordanisch- palästinensische Delegation zu informellen Gesprächen in Jerusalem einlud. Die arabischen Herrscher der Region wurden gleichfalls aufgefordert, wie einst der ägyptische Staatschef Sadat, nach Jerusalem zu kommen und vor der Knesset zu sprechen. Rabin vermied in seiner Rede, wie schon früher, das Thema Siedlungsstopp. Es müsse „alles vermieden werden, was Probleme in den Friedensgesprächen schaffe“, sagte er lediglich in Anspielung auf diese Frage. Er warnte die Palästinenser in den besetzten Gebieten: Bei einer Fortsetzung des „gewaltsamen Aufstandes“ während der Verhandlungen werde die Armee „hart zuschlagen“. „Es gibt keine Kompromisse im Krieg gegen den Terrorismus“, fügte er hinzu. In seiner mit großer Leidenschaft vorgetragenen Rede wandte er sich auch direkt an die Palästinenser in der Westbank und im Gaza-Streifen: „Sie haben Tausende von Söhnen und Töchtern verloren, und Sie verlieren fortwährend an Boden. Wir haben Ihnen den gerechtesten und aus unserer Sicht realistischsten Vorschlag zu machen: Autonomie, Selbstbestimmung mit allen Vorteilen und Grenzen!“

Nach Rabins Rede kamen alle zehn Fraktionen der neuen Knesset zu Wort. Der bisherige Regierungschef Jizchak Schamir verließ sein Amt mit heftigen Attacken gegen seinen Nachfolger. Der Regierung Rabin fehle es an „Weitsicht und an jüdischen Werten“. Rabin werde Israel durch zu große „Zugeständnisse an die Araber“ gefährden.

Unter den Palästinensern in Ostjerusalem reagierte man mit freundlicher Zurückhaltung auf Rabins Antrittsrede. Feisal Husseini will den neuen Ministerpräsidenten jedoch noch um Klärung einiger Punkte in seiner Rede bitten und sich anschließend mit der PLO in Tunis beraten, bevor er sich offiziell dazu äußert. Er erklärte aber, die Rede habe „positive Elemente“ enthalten und lasse immerhin auf eine Veränderung der israelischen Politik hoffen. In Husseinis Haus in Ostjerusalem trafen sich noch in der Nacht der Knesset- Abstimmung die Mitglieder der palästinensischen Delegation, um über ihre zukünftige Politik zu beraten.

Die Sprecherin der Delegation, Hannan Aschrawi, wies in einer ersten Stellungnahme zum Regierungswechsel vor allem auf die Unterschiede in den Einstellungen von Schamir und Rabin hin. Rabin habe den Verhandlungen mit den Palästinensern endlich Priorität eingeräumt. Doch jetzt müßten endlich jene „vertrauensbildenden Maßnahmen“ getroffen werden, von denen auf der Madrider Eröffnungskonferenz der Nahostverhandlungen die Rede gewesen sei. Erste Schritte dieser Art müßten in einem Siedlungsstopp, der Freilassung der politischen Gefangenen und in einer sofortigen Beendigung der Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten bestehen, sagte Aschrawi.

Aus der jordanischen Hauptstadt Amman kam eine eher lapidare Reaktion auf die Einladung Rabins: Solche Einladungen seien schon früher ausgesprochen worden. Alles hänge jetzt von den nächsten Schritten in den Nahostverhandlungen ab. Kairoer Regierungssprecher bezeichneten die Antrittsrede Rabins als „Versuch der Beeinflussung der öffentlichen Meinung“, die nicht zur Aufgabe der besetzten Gebiete führe. Amos Wollin