„Bayern“ fährt nach Jugoslawien

Das Bundeskabinett in Bonn wird heute die Entsendung des deutschen Kriegsschiffs an die Adriaküste beschließen/ Auch Flugzeuge kommen vor Serbiens Küste/ SPD droht mit Verfassungsklage  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Heute wird das Kabinett darüber entscheiden, ob sich die Bundeswehr an der Aktion von NATO und WEU vor der Küste des ehemaligen Jugoslawien beteiligen wird. Nach den Äußerungen von Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und anderen Vertretern der Regierungsparteien gilt diese Entscheidung als sehr wahrscheinlich. Bereits am Montag ist der Marine-Zerstörer „Bayern“ mit dem NATO-Flottenverband von Lissabon Richtung Adria ausgelaufen. Gestern wurde gemeldet, daß drei Seefernaufklärer vom Typ „Breguet Atlantic“ der Bundesmarine ebenfalls beteilgt werden sollen. Der Flottenverband soll vor der Küste die Einhaltung des Embargos gegen Serbien und Montenegro überwachen, allerdings nicht selbst eingreifen, sondern lediglich Verstöße an die UN melden.

Der beabsichtigte Einsatz der Bundeswehr eine innenpolitische Kontroverse mit der Opposition ausgelöst. Die von der SPD geforderte Sitzung des Verteidigungs- und des Außenausschusses des Bundestags soll am Donnerstag statfinden, auf eine außerordentlcihe Bundestagssitzung hat die SPD verzichtet. Die SPD verlangt von der Bundesregierung umfassende Informationen über mögliche Absprachen, die im Rahmen der KSZE, der WEU und der NATO getroffen worden sind. Führende SPD-Politiker bezeichneten den beabsichtigten Einsatz im Mittelmeer für verfassungswidrig und kündigten an, notfalls vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen. Björn Engholm warnte die Bundesregierung davor, das Grundgesetz einer „willkürlichen Ausdeutung preizugeben“. Weiter: „Die Soldaten der Bundeswehr und ihre Angehörigen brauchen Karheit über die verfassungsrechtliche Grundlage für mögliche Einsätze.“ Der aueßenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Karsten Voigt sieht in dem geplanten Einsatz den „verfassungsrechtlich nicht akzeptablen Versuch... Durch eine Politik der vollendeten Tatsachen den bisher begrenzten Einsatz der Bundeswehr schrittweise zu erweitern.“

Die Regierungsparteien stehen einer verfassungsrechtlichen Klärung offenbar gelassen gegenüber. Außenminister Klaus Kinkel sieht zwar eine verfassungsrechtliche „Grauzone“, hält allerdings den Einastz des Zerstörers ebenso wie FDP-Chef Lamsdorff für zulässig. Das Außenministerium hat einen eigenen Gesetzentwurf angekündigt, der den verfassungsrechtlichen Rahmen für künftige Bundeswehreinsätze neu definiert. In der Union hält man eine Verfassungsänderung im Grunde für überflüssig. Der Vorsitzende der CSU im Bundestag, Wolfgang Bötsch, sagte, wenn es dem „innepolitischen Frieden“ diene, sie man zu einer Verfassungsergänzung bereit. Eine Außerseiterrolle im Regierungslager spielt der FDP-Abgeordnete Burkhard Hirsch, der den Einsatz des deutschen Zerstörers für verfassungswidrig hält.

Die Auseinandersetzung um mögliche Blauhelm- und Kampfeinsätze der Bundeswehr unter UNO-Mandat haben mit dem bevorstehenden Einsatz vor der jugoslawischen Küste, eine neue Dramatik gewonnen. Erst vor kurzem hat die SPD einen Entwurf zur Grundgesetzänderung vorgelegt, der eine Bundeswehrbeteiligung an Blauhelmeinsätzen vorsieht, Kampfeinsätzen jedoch ausdrücklich ausschließt. Das entspricht den Beschlüssen des letzten SPD-Parteitags, der nach intesivem Streit diese Position festgeschrieben hatte. Führende SPD-Politiker hatten sich allerdings in den letzten Wochen kritisch über diese Beschränkung geäußert. FDP und die Unionsparteien wollen ausdrücklich auch Kampfeinsätze der Bundeswehr außerhalb der NATO ermöglicqu Z. Verteidigungsminister Volker Rühe hatte zunächst vorgeschlagen, über diese Frage eine ausführliche Diskussion zu führen.

DDas NATO-Mittelmeergeschwader inklusive der „Bayern“ wird heute im süditalienischen Hafen Tarent mit Treibstoff und Ersatzteilen versorgt und danach vor dem Eingand der Adria Übungen abhalten. Beteiligt sind Kreigsschiffe aus Spanien, Griechenland, Italien, den USA, den Niederlanden und der Türkei.