Reiche leben länger

■ BIPS erforscht Gesundheitsrisiken in Bremen und anderswo

Das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin hat einen kompliziert klingenden Namen. Die Abkürzung, BIPS, ist da schon einprägsamer. Das vor elf Jahren gegründete An-Institut der Universität Bremen erforscht Krankheitsrisiken und bemüht sich um bessere Vorbeugung. In Bremen trat es in den letzten Jahren durch Aktionen zum Nicht-Rauchen und die Mitwirkung bei den „Bremer Frühjahrskuren“ in Betriebskantinen in Erscheinung. Auch der Status des BIPS ist kompliziert: Zwei Senatsbehörden, Wissenschaft und Gesundheit, sind für das Institut zuständig. Die Stadt Bremen trägt 20 Prozent des Etats, der Rest wird durch Forschungsaufträge finanziert.

Derzeit arbeitet das BIPS am Gesundheitsbericht der Stadt Bremen, der im August vorgestellt werden soll. Darin geht es nicht allein um die Frage, ob etwa das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, in Bremen höher ist als anderswo. Viel interessanter findet Institutsleiter Eberhard Greiser, in welchen Stadtteilen bestimmte Krankheiten besonders häufig auftreten. So ist in manchen Gebieten die Säuglingssterblichkeit bei Jungen dreimal so hoch wie in anderen. Und nach einer sozialökologischen Analyse des BIPS sterben in den Stadtteilen Tenever, Gröpelingen und Bremen Nord 42 Prozent mehr Frauen an Herz-Kreislaufkrankheiten als in den Stadtteilen Schwachhausen und Oberneuland. An der medizinischen Versorgung könne es in einer Stadt wie Bremen nicht hapern, sagt Eberhard Greiser. Er erklärt die Unterschiede mit einem höheren Gesundheitsbewußtsein bei oberen sozialen Schichten. Neue Gesundheitstrends wie fettarme Ernährung setzten sich zuerst in den oberen Gesellschaftsschichten durch. Menschen mit niederer Schulbildung rauchen mehr, und Greiser spricht von „erschreckenden“ Unterschieden in der sportlichen Betätigung.

Auf dem Gebiet der Umweltepidemologie hat sich das BIPS mit seinen Untersuchungen zu Leukämieerkrankungen in der Umgebung der ehemaligen Sondermülldeponie Münchenhagen hervorgetan. Wie das Institut herausfand, stieg mit der Nähe zur Deponie die statistische Häufigkeit der Leukämie- und Lymphkrebsfälle auffallend an. Eeine Kontrollstudie, in deren Verlauf 800 Patienten und deren Angehörige und eine doppelt so große Vergleichsgruppe aus der Allgemeinbevölkerung zu Risikofaktoren befragt werden, ist in Arbeit. Eine ähnliche Studie will das Insitut auch in der Umgebung des Kernforschungszentrums Geesthacht anstellen. „Doch diese jahrelange Forschungsarbeit“, meint Institutsleiter Greiser, „könnte man sich sparen, wenn wir ein vernünftiges Krebsregister hätten.“ Eine breite, „zum Teil irrationale“ Diskussion hat das seiner Meinung nach vor zehn Jahren verhindert. Aber jetzt ist Greiser guten Mutes, daß die Stadt Bremen bald ein entsprechendes Gesetz verabschieden wird. Geld für ein Bremer Krebsregister stehe beim Bundesgesundheitsministerium zur Verfügung.

AIDS hält Greiser für ein „mittelfristig ganz furchtbares Problem“, da die Krankheit seiner Meinung nach „schon aus dem Bereich der Risikogruppen raus“ ist. Derzeit stehe die Stadt Bremen im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten noch gut da. In Frankfurt ist die Zahl der AIDS-Erkrankungen doppelt so hoch. Doch Greiser vermutet, daß der Schutz vor Ansteckung inzwischen zu nachlässig gehandhabt werde. „In zehn Jahren“, schätzt er, „werden wir ähnliche Zustände haben wie in New York, wo AIDS-Behandlungen inzwischen einen Großteil der Krankenhauskosten ausmachen.“ Die Aufklärungskampagnen des Bundesgesundheitsministeriums hält Greiser wegen ihrer Prüderie für rausgeschmissenes Geld. Das nun für die Versorgung der Kranken fehlt. Fünf Jahre lang führte das BIPS in Bremen das Herzinfarktregister nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation. Doch dem von ABM-Kräften betreuten Register droht nun das Aus, weil dem Institut keine neuen Stellen bewilligt wurden. Diemut Roether