KOMMENTAR
: Schiffe nach Split!

■ Alle debattieren über den Zerstörer „Bayern“, aber was ist mit den Flüchtlingen?

Man muß es sich immer wieder in Erinnerung rufen: Auf dem reichsten Kontinent der Welt gibt es zum ersten Mal seit vierzig Jahren Krieg. Und dennoch machen unsere Regierungen keinerlei Anstalten, die Flüchtlinge aufzunehmen, die zur Zeit zu Tausenden aus Bosnien- Herzegowina fliehen müssen. Die Behörden Kroatiens und Sloweniens haben wiederholt erklärt, daß ihre Aufnahmekapazitäten erschöpft sind. Selbst Ungarn, das sich in den vergangenen Jahren auch gegenüber den ostdeutschen Flüchtigen vorbildlich verhielt, hat nun die Grenzen dichtgemacht: genug.

Es sind wiederum die reichsten Staaten im reichen Europa, nämlich Deutschland, Österreich und die Schweiz, denen angesichts der dramatischen Notlage dieser Menschen nichts Besseres einfällt, als ihnen Visapflicht aufzuerlegen. Das ist die feine Form, in der man im zivilisierten Europa Notleidenden die Tür weist.

Man erinnere sich etwa an die Zeit des letzten Golfkrieges. Hunderttausende von kurdischen und schiitischen Flüchtlingen, die während der Niederschlagung der Aufstände im Nord- und Südirak um ihr Leben liefen, wurden von der Bevölkerung des Iran aufgenommen und verpflegt. Bekanntlich schwelgen die Iraner nicht gerade im Überfluß einer Wohlstandsgesellschaft. Dennoch wurden binnen weniger Tage in allen iranischen Städten Spenden gesammelt.

Ein Blick auf die Statistiken des UNHCR zeigt: Das hat System. Es sind gerade die ärmsten Länder der Welt, die sich bei der Aufnahme von Menschen, die vor Kriegen und Naturkatastrophen fliehen, am großzügigsten zeigen. Sie nehmen die meisten Flüchtlinge auf. In Afrika sind es allein acht Millionen Menschen, die in Nachbarländern ihrer Heimatstaaten Zuflucht gefunden haben. Je reicher offenbar ein Kontinent, je reicher ein Staat, desto erbarmungsloser verhalten sich seine Bürger und Regierungen, wenn Notleidende aus Kriegs- und Hungergebieten ins eigene Land drängen.

Es geht um 2,2 Millionen Flüchtlinge aus dem früheren Staatsgebiet Jugoslawiens. In Deutschland haben sich mittlerweile einige humanitäre Gruppen und Basisinitiativen zur Aufnahme der Flüchtlinge gebildet, während unsere Regierung vor allem mit der Organisation ihrer Abwehr durch die Errichtung bürokratischer Hürden beschäftigt ist. Die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr in friedenssichernden Aktivitäten von Nato und WEU überlagert und verdrängt die längst überfällige Debatte über die humanitäre Dimension einer zukünftigen „weltpolitischen Verantwortung“ Deutschlands. Was hindert uns daran, über die Entsendung von Passagierschiffen zur Rettung der bosnischen Flüchtlinge ebenso vehement zu diskutieren, wie über die Fahrt des Zerstörers „Bayern“ in die Adria? Nina Corsten