Litauens Premier stürzt wunschgemäß

Nachdem Gediminas Vagnorius bereits im Mai seinen Rücktritt eingereicht hatte, wurde dieser erst am Dienstag vom Parlament abgesegnet/ Niederlage für Landsbergis, Erfolg für die Ex-Kommunisten  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Litauens Premier Gediminas Vagnorius ist es endlich gelungen, zurückzutreten. Nachdem er bereits am 20. Mai seinen Rücktritt im Parlament eingereicht hatte, mußte er bis jetzt im Amt bleiben, da Litauens Verfassung vorsieht, daß der Antrag vom Parlament abgesegnet werden muß. Dazu war es in den letzten Monaten nie gekommen, weil stets das hierfür notwendige Quorum verfehlt wurde. Nun aber war es am Dienstag so weit: Von 77 anwesenden Abgeordneten stimmten 69 für den Rücktritt, 6 dagegen, 2 Stimmen waren ungültig. Somit steht Litauen vor der schwierigen Aufgabe, für die Zeit bis zum 25. Oktober ein Übergangskabinett bilden zu müssen. Für diesen Termin hat das Parlament bereits vor Wochen Neuwahlen angesetzt.

Vagnorius' Rücktritt war überfällig. Doch er ist — obwohl er auf Wunsch des Premiers zustandekam — eine weitere Niederlage für Parlamentspräsident Landsbergis, der bisher stets dagegen war, die Regierung kurz vor den Wahlen zu entlassen. Landsbergis unterstützte Vagnorius bisher stets gegen die Parlamentsopposition, obwohl dieser oft sehr kontroverse Entscheidungen traf. Entscheidungen, die er unter dem Druck des Parlamentes immer öfter zurücknehmen mußte.

Hierzu zählen auch seine vom Parlament zusammengestrichenen Pläne, bis zu 50 Prozent der Verwaltung im Staatsapparat auszuwechseln. Da Vagnorius die Kündigungen als Maßnahme der „Entkommunistisierung“ bezeichnet hatte, sah er nach dem Einspruch des Parlamentes einen „kommunistischen Block“, der versuche, in Litauen langsam die Macht zurückzuerobern. Dieser Vorwurf richtete sich vor allem gegen die Exkommunisten der „Partei der Arbeit“ und die Liberalen, die häufig mit diesen gegen den rechtsgerichteten „Sajudis-Block“ abstimmten. Dieser aber war von Vagnorius und Landsbergis unterstützt worden.

Im Mai hatte Vagnorius sich dann noch auf einen Streit mit dem Chef der Nationalbank, dem er Korruption vorwarf, eingelassen. Ein Parlamentsauschuß beurteilte die Angriffe jedoch als gegenstandslos und selbst konservative Abgeordnete gingen auf Distanz zu Vagnorius. Zugleich geriet er immer mehr unter den Druck seiner Minister, von denen schließlich zehn ihren Rücktritt androhten. Als das Parlament ihm schließlich die Umbesetzung seines Kabinetts blockierte, reichte Vagnorius am 20. Mai seinen Rücktritt ein.

Die Auseinandersetzungen um Nationalbank, Kabinett und zuletzt die von der Bevölkerung abgelehnte, aber von Landsbergis geforderte Verabschiedung einer Präsidialverfassung haben das innenpolitische Klima in Litauen weiter verschärft. Äußerer Ausdruck dafür waren im Mai und Juni fast tägliche Demonstrationen von Landsbergis-Anhängern vor dem Parlament, mit denen die Opposition unter Druck gesetzt werden sollte. Während Vagnorius seine Gegner als Kommunisten bezeichnete, die die Macht zurückerobern wollten, sahen diese sich als Opfer einer rechtsgerichteten, autoritären Politik: Mit Landsbergis als Diktator an der Spitze solle in Litauen die Demokratie abgeschafft werden. Angesichts dieser Zuspitzung dürfte es nicht leicht sein, eine für das Parlament akzeptable Regierung zu finden, die noch dazu nur für drei Monate im Amt bleiben soll. Sie dürfte automatisch in den Wirbel eines Wahlkampfes kommen, der die Gräben zwischen den Lagern noch weiter aufreißen wird.