Mit Volldampf gegen SPD-Blockade

■ Der Grundsatzbeschluß der SPD von vergangenem Jahr, Einsätze der Bundeswehr nur unter der Flagge der UNO und nach Änderung des Grundgesetzes zuzustimmen, wackelt. Anläßlich des gestrigen Kabinettsbeschluss

Mit Volldampf gegen SPD-Blockade Der Grundsatzbeschluß der SPD von vergangenem Jahr, Einsätze der Bundeswehr nur unter der Flagge der UNO und nach Änderung des Grundgesetzes zuzustimmen, wackelt. Anläßlich des gestrigen Kabinettsbeschlusses, einen Zerstörer und drei Aufklärungsflugzeuge zur Überwachung des gegen Belgrad verhängten UN-Embargos zu entsenden, erklärte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Däubler-Gmelin, ihre Partrei werde gegen den Einsatz „nicht in jedem Fall“ Verfassungsbeschwerde einlegen.

Das tatkräftige neue Gespann der deutschen Politik hat es geschafft: Wir sind auch militärisch wieder dabei. Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) traten gestern zusammen vor die Presse, um den Kabinettsbeschluß über den Einsatz von Bundeswehreinheiten in der Adria vorzustellen. Die Bundesrepublik wird sich „mit eigenen Beiträgen“ an der Überwachung des UN-Embargos beteiligen, so Kinkel mit sichtlicher Genugtuung. Ganz schneidig sein Kollege Rühe: „Ich werde den Befehl geben.“ Den Befehl nämlich, daß ab heute früh um acht der deutsche Zerstörer „Bayern“ und drei Seefernflugzeuge an der Nato- und WEU- Aktion vor der Küste des ehemaligen Jugoslawien teilnehmen.

Seit die WEU, und in ihrem Gefolge die Nato, am Rande der KSZE- Konferenz in der vergangenen Woche in Helsinki beschlossen haben, das Embargo der UNO gegen Serbien und Montenegro mit militärischen Verbänden zu kontrollieren, haben die beiden Minister und der Bundeskanzler darauf hingearbeitet, den verfassungsrechtlich umstrittenen Einsatz durchzusetzen. Bereits am Montag lief die „Bayern“ Richtung Adria aus. Am Dienstag wurde angekündigt, daß drei der vier Flugzeuge für diese Aktion deutsche vom Typ „Breguet Atlantic“ sein sollen.

Seit Tagen versuchte Kinkel, führende SPD-Politiker zu überzeugen. Das mißlang, und umso mehr Wert legten Kinkel und Rühe gestern darauf, die rechtliche, politische und militärische Unbedenklichkeit der Maßnahme darzulegen. Militärisch, so Kinkel, sei der Einsatz nur insofern, als militärisches Material und Soldaten eingesetzt würden. Völkerrechtlich begründet sei die Flottenaktion mit den UN-Resolutionen 713 und 757; letztere fordere ausdrücklich auf, das Embargo zu überwachen. Es ginge um eine Maßnahme „unter Ausschluß von Waffengewalt“, der Flottenverband und die Flugzeuge sollen mögliche Embargo-Verstöße überwachen und melden, nicht jedoch das Embargo durchsetzen.

Also kein Blauhelm-Einsatz — und schon gar kein Kampfeinsatz. Die umstrittene out-of-area-Situation, ein Einsatz außerhalb des Nato- Gebiets, sei nicht gegeben, da die Schiffe sich in internationalen Gewässern befänden. Kurzum: auch verfassungsrechtlich eine klare Lage, wie das Innen- und das Justizministerium bestätigt hätten. Politisch notwendig sei die Aktion, weil „die Partner deutsches Engagement erwarten“ (Kinkel); es gehe um „Bündnisfähigkeit und Handlungsfähigkeit“ (Rühe). Angesichts des Leids und der Kriegssituation, so wiederum Kinkel, gäbe es in der Bevölkerung kaum noch Verständnis, wenn Deutschland sich nicht beteilige. Das Morden könne die Aktion zwar nicht stoppen, wohl aber könne sie dazu beitragen, so die Sprachregelung Rühes, „daß der Krieg ausgetrocknet wird“.

Kinkel: „Handlungs- fähigkeit bewiesen“

Trotz solcher mit gemessenem Pathos vorgetragener Beteuerungen: Die Schlagworte „Handlungsfähigkeit“ und „unsere Partner“ übertönten die Aussagen zur Lage in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien deutlich. Nato-Griechenland beispielsweise steht in dringendem Verdacht des Embargo-Bruchs, macht aber die Flottenaktion mit. Kinkel: „Es ist nicht so, daß wir mit dem Finger auf Griechenland zeigen.“ Der Außenminister vermutet als Hauptölquelle Serbiens ohnehin „langfristig angelegte Lager“.

Hartnäckig blockierten die Minister jede Frage zu den möglichen Folgen aus der Überwachungsaktion. Was, wenn nach der Überwachung des Embargos die Frage nach seiner Durchsetzung auftaucht? Wie wird sich die Bundesregierung verhalten, wenn direkte militärische Aktionen anstehen? Die sind, wie Kinkel ausdrücklich anführte, in den beiden Erklärungen von WEU und Nato nicht ausgeschlossen, und beide Erklärungen gehen auf deutsche Initiative zurück. Da waren Kinkel und Rühe eisern verschwiegen: Das sei jeweils neu zu prüfen. „Wir hatten diesen Beschluß zu fassen“, so Kinkel, und wieder: „Wir haben bei unseren Partnern Handlungsfähigkeit bewiesen.“

Die Ankündigungen der SPD, möglicherweise vor das Verfassungsgericht zu gehen, nimmt man gelassen zu Kenntnis. Obwohl es nicht gelungen sei, die Zustimmung der Opposition zu erhalten — Kinkel hat in den letzten Tagen mit Björn Engholm, Hans-Ulrich Klose, Karsten Voigt und Hans-Jochen Vogel gesprochen —, erwartet die Regierung keinen starken Gegenwind. Volker Rühe vermerkte milde, daß „die Stellungnahmen der Sozialdemokraten in den letzten Stunden differenzierter“ geworden seien.

Tatsächlich hatte die stellvertretende Parteivorsitzende Herta Däubler-Gmelin, was den Gang nach Karlsruhe angeht, bereits Teilentwarnung gegeben. Der Rechtsexperte der Fraktion, Hans de With, äußerte sich kritisch zur Beschlußlage seiner Partei. Es sei fraglich, ob ein Festhalten an einer Grundgesetzänderung, die die Bundeswehr auf Blauhelm-Einsätze der UNO ohne Kampfauftrag beschränkt, durchzuhalten sei. Eine solche Verfassungsänderung hat die SPD vor wenigen Wochen eingebracht. Fraktionschef Klose kündigte schließlich an, bei den heutigen Ausschußsitzungen würde die SPD gründlich prüfen und danach entscheiden, was von der Sache zu halten sei. Indes: „Eine schleichende Entwicklung hin zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr in aller Welt wird es mit der SPD nicht geben.“ Tissy Bruns, Bonn