Sachsen-Anhalt mit neuer Verfassung

Magdeburg (taz) — „In freier Selbstbestimmung gibt sich das Volk von Sachsen-Anhalt diese Verfassung“ — so heißt es jedenfalls in der Präambel der Landesverfassung, die gestern in Magdeburg verabschiedet wurde. Bei der entscheidenden Abstimmung sollte das Volk aber draußen vor der Tür bleiben.

Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen CDU und FDP und bei Stimmenthaltung der Sozialdemokraten hatten die Abgeordneten zuvor entschieden, daß nur der Landtag selbst und nicht das Volk für die Annahme der Verfassung zuständig ist. Das wollten sich einige Mitglieder eben dieses Volkes nicht gefallen lassen. Rund zehn junge Leute protestierten während der Abschlußdebatte über die Verfassung auf der Zuschauertribüne mit einem Transparent lautstark gegen „diese Selbstherrlichkeit der Politiker“.

Mit einer Mehrheit von 80 Stimmen nahmen die Abgeordneten das „Grundgesetz Sachsen-Anhalts“ an. 19 Abgeordnete stimmten gegen die Landesverfassung, zwei enthielten sich der Stimme. Bündnis 90/Grüne, PDS und auch die DSU waren sich in der Ablehnung, insbesondere des Procedere, einig: „Wenn das Volk nicht zustimmen darf, dann wollen wir auch nicht.“ Die Abgeordneten von Bündnis 90/Grüne haben gemeinsam mit zwei SPD-Abgeordneten bereits öffentlich angekündigt, den Festakt zu boykottieren, mit dem die Verfassung heute in Kraft gesetzt werden soll.

Sprecher der Regierungsfraktionen und der SPD finden dagegen die Verfassung als gelungenen Kompromiß, bei dem jede Seite zurückstecken mußte. Auch der Umweltschutz. Zwar ist der Schutz der Umwelt in den (nicht einklagbaren) Staatszielen verankert, die von den Sozialdemokraten angestrebte Verbandsklage für anerkannte Umweltverbände in der Verfassung konnte die Koalitionsmehrheit aber erfolgreich verhindern.

Als Grundrecht einklagbar und damit weitgehender als in vielen anderen Ländern ist allerdings der Datenschutz und der weitgehende Schutz der eigenen Wohnung vor Durchsuchungen sowie optischer und akustischer Überwachung. Und auch wenn die Sozialdemokraten mit den jetzt festgeschriebenen Quoten bei Volksinitiativen und Volksentscheiden noch nicht zufrieden sind, so können sie nach eigener Einschätzung mit den gegenüber dem ursprünglichen Entwurf beträchtlich abgesenkten Zahlen leben. Eberhard Löblich