Soundcheck: Steve Coleman & Five Elements/Luis Sclavis Quartett/Sivuca

SOUNDCHECK

Heute abend: Steve Coleman&Five Elements. Vor Jahren galt der 1956 in Chicago geborene Steve Coleman als Hoffnungsträger: Ein Saxophonist, der jung war, der gut war, der alles spielen und deshalb nach einem eigenen Weg suchen konnte. So jemand wird gebraucht in diesen Zeiten, da der Jazz mit der Überalterung zu kämpfen hat.

In der Tat ist Coleman jung genug geblieben, um sich und seiner Band Five Elements ein waches Interesse für die schwarze Musik unserer Tage und die Tanzbarkeit ihrer Rhythmen zu bewahren. Kritiker bemängeln gelegentlich eine gewisse Kälte in dieser Musik, die aus der massiven Rhythmik und der abgeklärten Improvisationsweise Colemans entsteht - der läßt sich eben nicht auf pseudo-expressive Mätzchen ein. step

Fabrik 21 Uhr

Heute abend: Luis Sclavis Quartett. Jazz ohne Schlagzeug? Die Ergebnisse solcher Formationen sind meistens wider Erwarten akustische Genüsse. Der französische Klarinettist und Saxophonist Luis Sclavis musiziert heute mit so einer ungewöhnlichen Formation: mit dem Geiger Dominique Pifarely, dem Bassisten Bruno Chevillon und dem Gitarristen Marc Ducret. Was die vier Musiker zusammen treiben, könnte man als avantgardistische Folklore bezeichnen - eine ganz persönliche Folklore allerdings. Darin treffen sich Elemente von Renaissance- und zeitgenössischer Musik, die sich in den oberen Oktaven entfaltet. Nikos Theodorakopulos

Studio 10 des NDR, 20 Uhr

Gehört: Sivuca. Egberto Gismonti, der brasilianische Komponist und Gitarrist, meinte in einem Interview der Zeitschrift Jazzthetik, daß gerade die Konfusion in der widersprüchlichen brasilianischen Gesellschaft die Kreativität der Menschen fordert. Woran kann das liegen? Der 60jährige „Junge“ Sivuca hat versucht, dieses Geheimnis zu lüften und veranstaltete kurzerhand in der Fabrik ein Volksfest. Der Albino mit der Mähne hat mit seinen Musikern und der Sängerin Glorinha Gedelha eine familiäre und vertraute Atmosphäre geschaffen, die einen Hauch von Stadtteilfest hatte. Es ist allerdings schwierig, seine Musik in einer bestimmten Schublade unterzubringen. Sivuca, der unter anderen mit Miriam Makeba und Paul Simon zusammen gespielt hat, brillierte in atemberaubender Schnelligkeit und Virtuosität quer durch die verschiedenen Rhythmen seiner Heimat, die er mit europäischer Musiktradition gemischt hat. Nach Kompositionen, die mit Barockmelodien anfingen und sich in heiße Bossa-Nova oder Carioca-Rhythmen verwandelten, war es fast keine Überraschung mehr, als er eine Toccata von Bach einfließen ließ. Einen berauschenden Abend erlebte die Fabrik, und der wäre nicht zustande gekommen, hätten die exzellenten Begleitmusiker und die Sängerin nicht genauso virtuos, flott und elegant die rhythmischen Sprünge des Maestros verfolgt. Sivuca hat aus seiner letztjährigen Panne, als ihn ein verklemmter Knopf an seinem Instrument zum Improvisieren zwang, gelernt: Er brachte ein Ersatzakkordeon mit, das er aber vorgestern nicht brauchte. Nur die Organisatoren der Fabrik hatten nicht aus der damaligen Panne des Brasilianers gelernt und ließen die Bänke im Innenraum stehen. So mußten sich die Tanzenden in den engen Gängen und vor der Bühne quetschen. Nikos Theodorakopulos