Schmerzhafte Geschlechtertrennung

■ Aus dem Amtsgericht: Geprellte Brust vor lauter Streit ums rechte Umkleiden

Helena und Eduard S., frisch vermählt, wollten auch im Schwimmbad Tenever ihren Lebensweg gemeinsam gehen; im August letzten Jahres zwängten sie sich in eine Kabine der Herrenumkleideabteilung, um sich ihrer Kleidung zu entledigen — zu zweit. Das ist aber verboten.

Badewärterin Anita W. stellte das unzertrennliche Paar aus Kasachstan zur Rede und forderte Helena S. (18) auf, sich der Geschlechtertrennung in der Badeanstalt zu unterwerfen und unverzüglich die Damenabteilung aufzusuchen. Doch die schüchterne, des Deutschen kaum mächtige Gattin versteckte sich schutzsuchend hinter ihrem Mann, der die Badewärterin in ein lautstarkes Wortgefecht verwickelte. Schließlich rammte er Anita W. den Ellenbogen in die linke Brust. Dabei geriet auch noch der kleine Finger der Badewärterin in den Türspalt und fing an zu bluten.

Wegen vorsätzlicher Körperverletzung — Prellung der Brust und Verletzung des kleinen Fingers — mußte der 30jährige Eduard S. sich gestern vor Gericht verantworten. Der gelernte Elektromonteur bestritt jedoch, die Badewärterin überhaupt angefaßt, geschweige denn, ihr den Ellenbogen in die Brust gerammt zu haben. Aufgebracht sei er deshalb gewesen, weil Anita W. das junge Paar als „Asylanten“ und „Ausländer“ beschimpft habe. Außerdem hätte die Badewärterin versucht, die im ersten Monat schwangere Ehefrau des Angeklagten gewaltsam aus der Kabine zu zerren.

Badewärterin Anita W. wies das jedoch weit von sich. Nach ihrer Darstellung hat Eduard S. nämlich sie beschimpft. „Halten Sie den Mund und machen sie lieber ihre Arbeit. Sie haben mir gar nichts zu sagen, Sie Putzfrau!“ hätte Eduard S. sich ereifert und die Hand gegen sie erhoben.

Richter Peter Mertens war ratlos. Auch seine Frage an einen Zeugen, ob es sich bei dem Blutfleck auf dem Kittel der Badewärterin auch um einen Erdbeer-, Tusche- oder Marmeladenfleck oder gar um eine rote Stickerei gehandelt haben könnte, verschafften keine Klarheit. Ebensowenig die Frage, ob die Schwangerschaft von Helena S. — im ersten Monat - sichtbar gewesen sei.

„Der Angeklagte wollte seine Ehefrau schützen; nur ich weiß wirklich nicht wovor“, meinte Staatsanwältin Verona von Storren und plädierte auf eine Geldstrafe von 3.200 Mark.

Richter Mertens ging in sich, 20 Minuten lang, und kam zu dem Schluß: „Es ist Wahnsinn, daß die Justiz ihre Zeit und Energie verschwenden muß, nur weil der Angeklagte und seine Frau keine getrennten Umkleidekabinen akzeptieren wollten. Das ärgert mich.“ Das Urteil: Eine Geldstrafe von 3.000 Mark auf Bewährung. Silke Mertins