Datenschützer stochert im Sozialamt

■ Waller Sparmodell: Sozialhilfe-Empfänger bringen Dienstaufsichtsbeschwerden

In den Arbeitskonflikt im Sozialamt Mitte/West hat sich gestern der Datenschutzbeauftragte eingeschaltet. Nachdem bekannt geworden war, daß SozialhilfeempfängerInnen vertrauliche Dienstanweisungen von der Amtsleitung in die Hand gedrückt bekamen, um damit zu SachbearbeiterInnen zu gehen, hat Stefan Walz Ermittlungen aufgenommen. Zwar wurde dieser Schriftguttransport via KlientIn gestern gestoppt, dafür werden nun Disziplinarverfahren per Mundpropaganda bekanntgegeben.

Seit Wochen und Monaten schwelt im Waller Volkshaus der Konflikt um die Arbeitsüberlastung der SachbearbeiterInnen. Nachdem sie allein im vergangenen Jahr rund 150 „Überlastanzeigen“ geschrieben hatten und auch in diesem Jahr schon über 100, haben sie sich nun geweigert, weitere Arbeit anzunehmen. So werden bis heute die Bezugsscheine für die verbilligte „Bremer Karte“ für SozialhilfeempfängerInnen nur auf Arbeitsanweisung von der Amtsleitung ausgestellt. Die SachbearbeiterInnen sagen ihren KlientInnen, daß sie sich bitteschön ein Stockwerk höher beschweren mögen, wenn sie ihre Bescheinigung sofort haben möchten.

Im Vorzimmer des Amtsleiters Hans Leppin bekamen die Klienten ein hektografiertes Schreiben in die Hand. Der Name der SachbearbeiterIn und der Klientin mußte nur noch eingetragen werden — und schon war die Dienstanweisung fertig. Mit der Anweisung offen in der Hand wurde die KlientIn dann wieder auf den Weg geschickt. Die SachbearbeiterIn wurde also mit einem personenbezogenen Dokument angewiesen, das nichts in der Öffentlichkeit zu suchen hat — und das mit KlientIn als Postverteiler und Ersatz für den regulären Dienstweg.

„Das wäre schon ein relativ originelles Verfahren“, meinte dazu Bremens oberster Datenschützer Stefan Walz. „So eine Verfügung fällt in das Weisungsrecht eines Vorgesetzten und gehört auf den Dienstweg.“ Nach Walz ersten Recherchen im Amt steht allerdings Aussage gegen Aussage. Die Amtsleitung bestreitet nicht die Botentätigkeit der KlientInnen. Walter Hartung, Leiter des Bereiches Soziale Hilfen gab aber an, die SachbearbeiterInnen hätten die KlientInnen aufgefordert, sich die Anweisungen von der Amtsleitung zu holen und seien an der fragwürdigen Öffentlichkeit selbst Schuld.

Sollte das zutreffen, wäre die Leitungsebene vermutlich fein raus. Stefan Walz: „Dann hätten ja die Mitarbeiter die Klienten in den Vorgang hineingezogen.“ Der Personalrat aber bestreitet diese Darstellung entschieden. „Das ist ja wohl völliger Quatsch!“, meinte die Personalrätin Wiebke Rendigs gestern auf Nachfrage. „Die Kollegen haben zu den Klienten gesagt, wenn sie die Bescheinigungen sofort haben wollten, sollten sie sich bitte beschweren. Es kommt doch niemand auf die Idee, nach einer Dienstanweisung zu verlangen.“

Ab heute hat der ungewöhnliche Botendienst der Bezugsscheinanwärter ein Ende. Amtsleiter Hans Leppin und seine Kollegen aus der Chefetage haben noch einmal alle SachbearbeiterInnen pauschal angewiesen, die Bescheinigungen auszustellen. Einzelanweisungen wird es nicht mehr geben. Wer jetzt noch nicht spurt, dem werden sofort Disziplinarverfahren angedroht. Und das ist gestern auch schon in zwei Fällen geschehen. In einem Fall allerdings auf die ganz spezielle Waller Art: Ein Klient kam von der Amtsleitung zurück, der Sachbearbeiter möge die Bescheinigung bitte sofort ausstellen: „Und übrigens soll ich Ihnen sagen, daß sie ein Disziplinarverfahren kriegen.“ Jochen Grabler