Klebriges aus Gips

■ Rosarote »Bonbon-Kunst«. Manfred Niepel in der Galerie Eastline

Bon heißt auf deutsch gut. Ein Bonbon muß demnach so etwas wie Doppelgut sein. Dabei hat ein Bonbon nur eine einzelne Qualität: Es schmeckt zuckersüß. Zahlreich sind die unerfreulichen Nebenwirkungen: Karies, Fettleibigkeit und Suchtverhalten bei regelmäßigem Konsum des Gaumenschmeichlers. Trotzdem ist das Bonbon mit positiven Gefühlen assoziiert. Bei der Kindererziehung ist es das Zuckerbrot zur Peitsche, ein Platz, den es trotz Marshmallows und Gummiteddys halten konnte. Der Charakter von Belohnung für gutes, sprich: angepaßtes Verhalten gibt den bunten Lutschobjekten einen beinahe erpresserischen Beigeschmack.

Diese Ambivalenz findet sich auch in den Bildern und Objekten von Manfred Niepel. »Bonbon« nennt er seine Ausstellung, die er zur Zeit in der Galerie Eastline präsentiert. Der kleine Ladenraum ist Ausstellungsraum und Büro in einem. Als Dreingabe zum Kunstgenuß werden hier Reisen nach Prag (inkl. kulturellem Rahmenprogramm) verkauft. Den Besucher erwartet nicht etwa zuckriges Schlaraffenland, eine unkonventionell präsentierte Produktpalette von Sahnebonbon bis Salbeipastille. Nur zwei große, durchsichtige Plastikdosen enthalten die Namensgeber der Ausstellung im Original.

Vorwiegend verbergen sie sich im Konzeptuellen, in übelebensgroßen Nachbildungen aus Gips, die inhaltlich mit dem klebrigen Thema befaßt sind. Da versinkt eine zerbrochene Kaffeekanne mit blauem Karomuster in einer rosafarbenen Masse. Das kleine quaderförmige Objekt hat eine unebene Oberfläche. Sie ist zum Teil lackiert und erhält dadurch den gläsernen Effekt eines unbeleckten Bonbons. Bürgerliche Gemütlichkeit, die in fleischfarbener Süße erstickt, zeigt auch das nächste Objekt, wo der Griff eines Spazierstocks nebst einer blau bemalten Kaffeetasse in die rosa Fluten sinken. Davor ist ein echtes kleines Vogelnest montiert, in dem eine blaue Murmel die Vogeleier ersetzt.

»Umwelt-Bonn-Bon« heißt ein braun-weiß gestreifter Quader, offensichtlich eine Kombination der Geschmacksrichtungen Pfefferminz und Schokolade. Daneben drei plattgedrückte Bierdosen, die, mit demselben Farbüberzug versehen, kaum noch als solche kenntlich sind. »Der goldene Schuß« läßt eine Heilige mit Rosenkranz im Haar hinter einem Stück goldenen Bilderrahmens erschrocken auf einen goldenen Pfeil blicken. Auf dem rosafarbenen Rücken der Skulptur liegt ein kleiner goldener Apfel. Erotik und Religion werden mit einem Stück antiken Rahmens in eine andere Zeit transportiert. Das Bild hat einen surrealen Touch. Etwas willkürlich pickt man aus dem Füllhorn der Vergangenheit die süßen Szenen, Bonbons aus einer vergangenen Zeit. Eine direkte Assoziation hingegen erlaubt das Objekt »Bon-Bon-Bon«, das willkürlich angeordnete Gebißhälften mit nicht zu übersehenden Zahnlücken in die rosa Masse preßt.

Manfred Niepel selbst bezeichnet seine in den Kitschfarben hellblau, gelb und vor allem rosa gehaltenen Miniskulpturen als »Bonbons für das Auge«. Da der Künstler zwei Wochen vor der Vernissage mit einer Leberentzündung ins Krankenhaus kam und nicht alle Objekte zum Thema fertigstellen konnte, wird diese Lücke zur Zeit von seinen Radierungen und Ölgemälden älteren Datums geschlossen. Inhaltlich und stilistisch liegen die Werke aber so weit auseinander, daß die Ausstellung einen zusammengestoppelten Gesamteindruck hinterläßt. Jantje Hannover

»Bonbon« Eine Austellung von Manfred Niepel noch bis zum 5. August in der Galerie Eastline, Helmstraße 8, Schöneberg.