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KOMMENTARHauptstadtängste

■ Ungleiches Recht für Bonn und Berlin

Als einseitiges Diktat der Bundesregierung und als Unterwerfungsgeste des Senats wird der unterschriftsreife Hauptstadtvertrag selbst von SPD-Größen geschmäht, nach dem Bundesvorhaben ein »besonderes Gewicht« gegenüber den Belangen der Stadt und denen der Bürger haben sollen. Als »einmalige Lachnummer« wurde der Senat deshalb sogar schon von Bundestagsabgeordneten gescholten, in deren Händen es nun einzig liegt, die Vertragspartner doch noch zurückzupfeifen. Man könnte meinen, eine zu Recht kritisierte Bonner Kultur komme mit diesem Vertragswerk nach Berlin: Die gleiche Kultur, die sich darin manifestiert, daß Ausschußsitzungen des Bundestages nicht öffentlich sind, Journalisten zu Hofberichterstattern mutieren und die Stadtverwaltung als Erfüllungsgehilfin der Bundesregierung agiert. Mit einem Wort: Der Provinzmief kommt nach Berlin.

Das ist jedoch nur der eine Teil des Vertrages. Der andere Teil entmachtet die Bezirke der Innenstadt. Der Senat behauptet nun, der Bund habe von sich aus verlangt, Berlin müsse mit einer Stimme sprechen. Aber dies ist in Bonn nicht Brauch: Geht es dort — nur ein Beispiel — um eine Bauplanung im nahegelegenen Ahrweiler, so sitzen die Vertreter der Gemeinde selbstverständlich mit am Tisch. Ob sich der Senat dem Diktat der Bundesregierung unterwirft oder ob es bestimmten Senatsstrategen zupaß kommt, die zumeist linken Innenstadtbezirke zu entmachten, und die Forderung der Bundesregierung eher dem bestellten Hilferuf 1968 aus Prag gleichzusetzen ist, ist eine naheliegende Frage. Denn im Unterschied zu Berlin hat Ahrweiler keine grüne Baustadträtin und kein linkes Protestpotential. Vielleicht gelten ja deshalb unterschiedliche Maßstäbe. Die Ängste, die die Hauptstadt auslöst, werden mit so einem Vertragswerk kaum abgebaut — ganz im Gegenteil. Eva Schweitzer

Siehe auch Seite 22

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