Brasilien baut an Atomruine weiter

■ Regierung rechnet mit deutscher Hilfe in Höhe von 420 Millionen Mark/ Noch keine Zusage aus Bonn

Brasilia/Bonn (AFP) — Die brasilianische Regierung will noch in diesem Jahr mit deutscher Hilfe die Bauarbeiten an dem Atomkraftwerk „Angra 2“ wiederaufnehmen. Der Minister für Bergbau und Energie, Marcus Vinicius Pratini de Moraes, sagte in dieser Woche, das Kraftwerk solle ab 1997 Rio de Janeiro mit Strom versorgen.

Der Bau des Atomkraftwerks „Angra 3“ solle jedoch für unbegrenzte Zeit eingefroren werden. Nach Angaben des Ministers, der sich am Montag mit Präsident Fernando Collor de Mello getroffen hatte, kostet die Fertigstellung von Angra 2, derzeit eine kostspielige Bauruine, noch rund 1,52 Milliarden Dollar (rund 2,3 Milliarden Mark). In der vergangenen Woche sei angeblich eine Einigung mit der Bundesregierung in Bonn erzielt worden, daß Deutschland den Bau von Angra 2 mit 280 Millionen Dollar (420 Millionen Mark) unterstütze, sagte Pratini de Moraes.

Das Wirtschaftsministerium in Bonn widersprach diesen Angaben jedoch. Es sei noch keine Zusage gemacht worden. Brasilien habe lediglich beantragt, die für Angra 3 bereits gewährten Hermesbürgschaften zur Fertigstellung von Angra 2 einzusetzen, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Dieser Antrag werde in Bonn geprüft. Die Entscheidung hänge auch von der Erfüllung der brasilianischen Rückzahlungsverpflichtungen ab, hieß es weiter.

Mit dem Bau von Angra 2, das eine Leistung von 1,3 Megawatt erzeugen soll, war vor 15 Jahren begonnen worden. 1988 wurden die Arbeiten jedoch unterbrochen. Seitdem hat die brasilianische Regierung pro Jahr allein 100 Millionen Dollar für die Unterhaltung der Bauruine ausgegeben. Insgesamt kostete das Kraftwerk bislang 4,27 Milliarden Dollar — die Kosten für die Bauarbeiten betrugen 2,6 Milliarden, weitere 1,67 Milliarden wurden für die Finanzierung des Projekts und die Unterhaltung der Atomruine ausgegeben. Angra 2 ist das erste von acht Atomkraftwerken, deren Bau 1975 im Rahmen eines Abkommens zwischen der damaligen brasilianischen Militärregierung und der Bundesrepublik Deutschland beschlossen worden war. Maßgeblich beteiligt ist der Siemens-Unternehmensbereich KWU.

Minister Pratini behauptete, daß die Atomenergie mit der Fertigstellung des Kraftwerkes nicht ins Zentrum der Energiepolitik Brasiliens gestellt werde. Derzeit liefere das einzige funktionierende Atomkraftwerk „Angra 1“ vom US-Typ Westinghouse lediglich 0,5 Prozent der Energie des Landes. Wenn Agra 2 ans Netz gehe, werde sich der Anteil der Atomenergie auf rund ein Prozent erhöhen.