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In der Luft hing so ein gewisser Duft

Besuchszeit im einzigen Cannabis-Treibhaus der Welt in Aalsmeer bei Amsterdam/ Gewächshausbetreiber Rudolf Forster ist offiziell als Hanfsamenzüchter im Handelsregister eingetragen/ Reiseangebot soll über weiche Drogen aufklären  ■ Aus Aalsmeer Walter Jakobs

„Early girl“ blüht sehr früh und riecht nach Kräutern. Schöne volle Blumen, ein frischer Geruch und die Fähigkeit, auch bei weniger Licht noch gute Blumen zu bilden, zeichnen „Sensi Skunk“ aus. Ob „Daisy9“, „Californie-Beach“ oder „Skunk Positronic“, Rudolf Forster hat sie alle im Angebot. Massen von zehn Zentimeter großen Klonen bis hin zu zwei Meter hohen Pflanzen gedeihen in seinem Gewächshaus.

In der schwülen Luft hängt ein schwerer Duft, als Forster am Mittwoch morgen seinen deutschen Besuchern sein Gewerbe erklärt: „Ich züchte hier Cannabis-Samen, und das ist legal.“ Mit Cannabis — zu deutsch Hanf — kann man viel anstellen. Der 35jährige, der sich schon lange auf dem Gebiet versucht und seit zwei Jahren im nahe Amsterdam gelegenen Aalsmeer seine Zucht betreibt, spricht von Hanftauen ebenso wie von Hanftextilien, für die die besonders haltbaren Hanffasern den Grundstoff abgeben. Mit dieser Verwendung hat die besondere „Betreuung“ des Züchters durch die niederländische Polizei indes nichts zu tun. Schon mehrmals sind sie mit Hunden und mehreren Dutzend Beamten bei ihm eingefallen „und haben alles kaputtgemacht“. Seit ein paar Monaten lassen die Behörden den offiziell im Handelsregister als Hanfsamenzüchter eingetragenen Gewächshausbetreiber in Ruhe. Beim letzten Anruf des Staatsanwaltes hat Forster der Polizei angeboten, sie könne alle reifen Pflanzen mitnehmen und behalten, wenn er nur den Samen zurückbekomme. Seitdem hat er von den Behörden nichts mehr gehört. Der von ihm angestrengte Schadensersatzprozeß ist noch nicht entschieden. Das Interesse der Polizei gilt den weichen Drogen, denn aus den getrockneten weiblichen Hanfblumen läßt sich Marihuana und aus dem Harz der Blüten Haschisch herstellen. Der begehrte Stoff für Millionen von Kiffern — allein in der Bundesrepublik gibt es nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes rund 2,5 Millionen Konsumenten — wird in den Niederlanden zwar in kleinen Mengen toleriert, aber gegen den Handel im großen Stil versucht die Polizei immer wieder vorzugehen. Daß die Behörden den Verkauf in mehreren hundert „Coffee-Shops“ des Landes an Kleinverbraucher — der Besitz von bis zu 30 Gramm ist nicht strafbar — tolerieren und gleichzeitig die Zulieferer für die Shops weiter verfolgen, gehört zu den zahlreichen Widersprüchlichkeiten der liberalen niederländischen Drogenpolitik. In dem Aalsmeerer Treibhaus ging die Suche bisher immer leer aus. Samen und Klone, kleine mit dem Rasiermesser von der Mutterpflanze abgetrennte Stecklinge, kann man hier kaufen, aber keinen Shit.

Am Mittwoch nutzte der Norddeutsche Rundfunk das Ambiente des Aalsmeerer Gewächshauses für seine „Treffpunkt“-Sendung, um über „Haschen ohne Strafe — kann Holland ein Vorbild sein?“ zu diskutieren. Nach der Sendung war der Wuppertaler Oliver Becker stinksauer. Becker, Betreiber eines „Head-Shops“ in Wuppertal und einer derjenigen, die am heutigen Freitag in Köln die „Initiative Hanf legal“ nach dem Muster von „Cannabis — Legalize it“ aus der Taufe heben wollen, hatte Pech. Gerade als er sich aus der Kulisse heraus als Zuschauer für die Entkriminalisierung der weichen Drogen einmischen wollte, kam die Anweisung aus dem Off, „jetzt die Gegner ran“.

Den Part übernahm im NDR der Hamburger CDU-Drogenbeauftragte Wolfgang Beuß. Daß sich inzwischen fast schon jede Woche ein weiterer Polizeipräsident oder Staatsanwalt meldet, um der Entkriminalisierung von weichen Drogen das Wort zu reden, kann christliche „Drogenkämpfer“ wie Beuß nicht erschüttern. Von „falschen Signalen“, von „Verharmlosung“ und „Einstiegsdroge“ schwadronierte Beuß, dabei ignorierte er tapfer alle gegenteiligen wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Dagobert Lindlau, der am vergangen Donnerstag in der ARD zur besten Sendezeit alle Entkriminalisierungsbemühungen als „Kapitulation“ vor der Drogenmafia denunzieren durfte, hätte seine helle Freude gehabt. Als „Kapitulant“ entpuppte sich während der aufgezeichneten Diskussion der Frankfurter Oberstaatsanwalt Harald Körner. Eingerahmt von in vollem Saft stehenden Cannabis-Pflanzen räumte Körner ein, daß „wir die Gefährlichkeit von Cannabis-Produkten falsch eingeschätzt haben“. Tatsächlich sei die These von der „Einstiegsdroge“ durch nichts belegt.

Daß diese Ansicht inzwischen auch deutsche Staatsanwälte, Richter, Polizisten und einige Politiker teilen, freut Oliver Becker, der zusammen mit dem Düsseldorfer Szene-Reiseveranstalter KULTours am Mittwoch die Premierenfahrt für Journalisten und etwa ein Dutzend neugieriger Jugendlicher zum Cannabis-Treibhaus organisiert hatte. 99 Mark kostet der beim einzigen Hasch-Museum der Welt in Amsterdam endende Tagestrip. Für deutsche Kiffer, die den Ausflug mit einem Einkauf in einem der zahlreichen Amsterdamer Coffee-Shops verbinden möchten, kann die Stippvisite indes nicht empfohlen werden. „Ich möchte Sie alle bitten“, sagt Andre Brößel von KULTours, „kein Haschisch und Marihuana auf der Rückreise mit an Bord zu nehmen“. Wer sich darüber hinwegsetze, müsse an der niederländischen Grenze den Bus verlassen „und selbst sehen, wie er nach Hause kommt“. Bei der Jungfernfahrt ging alles glatt. Kein Zöllner interessierte sich für den Bus. Gefunden hätten sie ohnehin nichts, aber in der Luft hing so ein gewisser Duft...

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