INTERVIEW
: „Freiere Bündnisse haben Zukunft“

■ Roman Kovac, stellvertretender Ministerpräsident der Slowakei und Mitglied der HZDS, zur Souveränitätserklärung seines Landes

taz: Der slowakische Nationalrat wird in den nächsten Tagen die Souveränität der Slowakei erklären. Bedeutet dies das Ende der Tschechoslowakei?

Roman Kovac: Bereits die jetzige Verfassung bezeichnet die Tschechische und die Slowakische Republik als souverän und sieht außerdem für jede Republik eine eigene Verfassung vor. Wir erfüllen somit nur diese Anforderungen. Die Souveränitätserklärung muß als symbolischer Akt gesehen werden. Ich denke nicht, daß die Tschechoslowakei zerfällt. Vielmehr bin ich überzeugt, daß wir mit der tschechischen Seite einen Kompromiß über die weitere Form des Zusammenlebens finden können.

Vaclav Klaus hat jedoch das von Vladimir Meciar geforderte „gemeinsame Bündnis“ von Tschechischer und Slowakischer Republik immer abgelehnt.

Wir haben von den Wählern kein Mandat erhalten, diesen Staat aufzuteilen. Unser Wahlprogramm sagte, daß über die Zukunft des Zusammenlebens ein Referendum entscheidet. Dies wird Ende 1992 oder Anfang 1993 stattfinden. Wir wollen natürlich ein freieres Zusammenleben als bisher, lehnen also den unitaristischen, zentralistischen Staat ab. Ich denke, daß wir mit diesen Wünschen nicht allein sind, ähnliche Tendenzen gibt es auch in anderen Ländern. Freiere Bündnisse haben Zukunft. Das hat auch ökonomische Gründe. Die beiden Republiken der CSFR sind ökonomisch so eng miteinander verbunden, daß man sich nur schwer vorstellen kann, sie völlig zu trennen. Ein gemeinsamer Markt, das ist schließlich auch das Ziel Westeuropas. Beachtenswert ist, daß die nationalen Emotionen in der Slowakei derzeit geringer sind als in der Tschechischen Republik. Das hängt damit zusammen, daß die Slowaken in der HZDS eine politische Vertretung für ihre Wünsche nach stärkerer Unabhängigkeit gefunden haben.

Zuerst verabschiedet das Parlament eine Souveränitätserklärung und eine Verfassung, dann findet ein Referendum über die Zukunft der Tschechoslowakei statt. Wird da nicht der demokratische Prozeß auf den Kopf gestellt?

Die slowakische Verfassung wird berücksichtigen, daß es eine CSFR gibt, das heißt sie wird die Verfassung dieses Staates nicht außer Kraft setzen. Außerdem sind wir natürlich bereit, uns dem Willen der Bürger zu beugen. Nur wenn sie sich für eine Konföderation entscheiden, werden wir uns um die Anerkennung unserer Republik durch andere Staaten bemühen. Falls der Prozeß verfassungskonform abläuft, werden wir mit dieser Anerkennung keine Probleme haben. Äußerungen des ehemaligen Außenministers Genscher lassen außerdem darauf schließen, daß alle von der Tschechoslowakei abgeschlossenen Verträge auch für die Slowakei weiterhin ihre Gültigkeit behalten.

Es gibt in der tschechischen Republik große Befürchtungen, daß in der Slowakei erneut Menschenrechte eingeschränkt werden. Sie haben gleich nach Amtsantritt eine Reihe von Mitarbeitern in den Ministerien entlassen. Die Opposition spricht von „Säuberungen“.

Da wir die staatliche Verwaltung aus Kostengründen verkleinern wollen, müssen wir ganz einfach Entlassungen vornehmen. Außerdem sollte die jetzige Opposition nicht so große Geschütze auffahren. Als sie noch regierte, wurde ein Mitarbeiter eines Ministeriums wegen seiner Mitgliedschaft in unserer Partei „abberufen“.

Der slowakische Ministerpräsident ist aber auch dafür bekannt, daß er bestimmten tschechischen Journalisten keine Interviews gibt.

Herr Meciar verwendet manchmal Formulierungen, die nicht sehr diplomatisch sind. Während er klar und deutlich sagt: „Ich werde nicht mit Ihnen reden“, verwenden andere Politiker das geschicktere „no comment“.