Schmiedefliegen stechen!

■ Dorfgeschichte live: das Freilichtmuseum auf dem Kiekeberg / Flachs, Lanz und Wasser schleppen

hierhin die Landmaschinen

Weißte noch, damals, nach'm Krieg, unser Lanz, der lief sogar auf Erdöl!F.: Bus

Genau so hat damals meine Mutter... — kuck mal, damit haben wir früher... — oh, das habe ich doch erst vor zwei Jahren zum Sperrmüll gegeben! Deja-vu-Erlebnisse am laufenden Band oder: Wo fängt eigentlich Vergangenheit an? Im Freilicht

museum am Kiekeberg, unweit Harburgs, im Naherholungsgebiet der Hamburger gelegen, wird, hier stimmt das Klischee einmal, Vergangenheit lebendig.

Z.B. live in der Schmiede: Meister Fricke schmiedet ein Kettenglied. „Als damals der Herr Dschesus...“, ja da fiel ein undeutlich gesprochenes „sanft“, und seitdem streut der Schmied „Sand“ in die Glut. „Zurücktre

ten, Schmiedefliegen stechen!“ — glühende Metallpartikel fliegen durch die düstere Schmiede, die einst in Pattensen stand. Ja das Handwerk. Seine Kultur! „Unglücklich' Fleisch muß weg!“ hieß es bei Verletzungen aller Art. Meister Fricke kennt sie, die Sprüche für alle Fälle.

Über den Kiekeberg laufen Hühner und Schweine, es gibt ein Kalb und Schafe und Ziegen, ein Bach wird immer wieder bergan gepumpt, um murmelnd durchs Gelände zu fließen, und natürlich gibt es auch voll eingerichtete Bauernhäuser mit „ßtube“ und Schränken, in denen geschlafen wurde, und Würsten über der Feuerstelle auf dem Flett.

Auf kleinen Feldern wird Flachs angebaut, in der Weberei stehen die Gerätschaften, mit denen der Flachs gebrochen, getrennt, gehechelt und gesponnen wird für die Leineweberei. Almut Gladow, die Weberin, produziert hier Stoffe für Handtücher und Tischdecken. An Wochenenden sitzen an den Webstühlen Interessierte, die gegen kleines Geld die Weberei benutzen dürfen.

Irgendwas ist immer los auf dem Kiekeberg: Brotbacken, Honigmachen, ein Treckertreff mit viel Rummel oder ein Ferienprogramm, das wie eine Geschichts- Show funktioniert (vgl.Kasten). 1.000 Gruppen schieben sich hier im Jahr durch, im letzten Jahr zählte man 110.000 BesucherInnen. Dabei geht es gar nicht nur heiter-nostalgisch hier zu.

Pumpen Sie mal zwei Eimer Wasser und tragen Sie es zur Holzrinne, fordert ein Schild auf. Wer die zwei sauschweren vollen Holzeimer weggeschafft hat, wird belehrt, daß die Durchschnittsbäuerin im Dorf ohne fließendes Wasser neun Zentner pro Tag schleppen mußte. Neben Sammeln, Aufbewahren und Herzeigen wird auf dem Kiekeberg die Didaktik großgeschrieben. In einer neuen Halle befindet sich die „Landtechnische Sammlung“, und dort heißt es nicht nur „Ah“ beim Lanz-Bulldog und „Oh“ beim tropfenden Ferguson- Trecker Baujahr '35: Hier wird mit sanfter Hand beschult. Keine hölzerne Giftspritze ohne ihren (agrar)kulturhistorischen Zusammenhang, keine Kartoffeldämpfmaschine ohne Hinweis auf die kleine Revolution, die sie auslöste. Wußten Sie, daß die Kartoffel bis Mitte letzten Jahrhunderts hierzulande als Schweinefutter galt? Da mußte erst der große Hunger kommen.

Gegen letzteren sollte man sich etwas von zu Hause mitnehmen: die Cafeteria — man sitzt praktisch mitten in einer MAN- Dampfmaschine aus einem Margarinewerk — wird reizend geführt, ist aber schnell überfordert. Ein echte Klippe für Eltern kleinerer Kinder ist die Abteilung mit „historischem“ Spielzeug: Blechtröten, Trommeln, eine Schuco-Tankstelle oder ein Förderband. Alles in einem „Spielzeugladen“ sortiert, absolut keine Selbstbedienung. Die frustrierten Kleinen können dann an der Kasse durch den Kauf eines dicken Treckers ruhiggestellt werden.

Acht MuseumspädagogInnen: das ist wenig für die große Zahl an Führungen und für den weiteren Ausbau des Museums — so werden gewisse Bonbons im Angebot mittlerweile als Geheimtip gehandelt. Etwa die Kindergeburtstags-Idee: Einen Tag unter fachlicher Leitung Bauer spielen oder Schmied, mit allem Drum und Dran für rund 100 Mark! Bus

Di.-Fr. 9-17 Uhr, Sa.u.So. 10-18 Uhr. Eintritt 4 DM, Kinder frei. Zu erreichen:

-mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwierig, DB bis Harburg, Bus 144 bis Appenbüttel, 30 min. laufen; oder KVG-Bus, selten, aber direkt.

-mit Auto A1 Richtung HH, A 261 Richtung Elbtunnel, Abfahrt Marmstorf.