Schrebergärtner - bunte Blumen, dicke Birnen - und was sonst?

FREIZEITM I TG A R T E N Z W E R G Schrebergärtner — bunte Blumen,

dicke Birnen — und was sonst?

Erich Huster (66), Rentner

Wir haben den Garten seit 1978, damals wollten wir einfach einen grünen Fleck für Gemüse und zur Erholung. Jetzt ist unser Garten in der Schwebe, weil der Senat das Land für Gewerbezwecke nutzen will. Das Sagen hat letztendlich der Senat, die Stadbezirke sind ja geschwächt. Für uns als Rentner ist das ein großer Unsicherheitsfaktor. Das belastet uns. Für uns Prenzelberger ist die Kleingartenanlage ideal gewesen. Unsere Kinder haben auch ein Pachtstück, dadurch ist das eine richtig familiäre Atmosphäre.

Seit 27 Jahren sind wir in der Laubenkolonie. Manche sagen, daß wir jetz hier weg müssen, Genaueres wissen wir noch nicht. Ich kann hier handwerkern und mich beschäftigen. Wir freuen uns über jede Blume, die im Garten wächst. Ich züchte Rosen. Bis jetzt habe ich das alles alleine gemacht. Die Enkelkinder holen sich das Obst immer. Die Pflaumen verkaufe ich im Herbst an den Bäcker. Mein Hobby ist das Basteln. Für meinen Enkelsohn bastele ich auch Spielzeug. Sogar ein Funktelefon habe ich jetzt schon.

Ich wohne im Plänterwald und mache in der Laube, die meinen Kindern gehört, Urlaub. Es ist wie in einer Oase. Ein bißchen Angst haben wir, weil im Früjahr hier eingebrochen worden ist. Die ganze Einrichtung haben Rowdies zerkloppt; in den Schrank haben sie Hakenkreuze geritzt. Eingewecktes Obst haben die in den Schrank gehauen. Selbst das Linoleum war aufgeschlitzt. Meine Kinder haben die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. In der Nacht schlafe ich deshalb mit einem Knüppel neben dem Bett.

Wir haben den Garten hier schon 30 Jahre. Nach der Wende jetzt ist alles sehr teuer geworden. Trotzdem hoffen wir, daß die Kleingartenanlage noch lange besteht und wir die Pacht auch weiter zahlen können. Ich sehe das hier nicht als Arbeit, sondern eher als Hobby. Dadurch hat man wirklich mehr Zeit. Von Mai bis Ende September wohnen wir hier. Oft ist mein dreijähriger Enkelsohn bei uns. So sind wir immer beschäftigt in der Anlage. Früher, als Obst so knapp war, waren wir immer froh, daß die Kinder Kirschen hatten.

So'n Garten fänd' ich ganz nett, aber zur Arbeit hätte ich keine Lust — der müßte dann schon fix und fertig sein. Die Gartenarbeit muß ja gemacht werden. Meine Eltern hatten früher einen Garten, heute würden sie das gar nicht mehr schaffen. Für andere, die mehr Zeit haben, ist ein Schrebergarten natürlich hervorragend zur Erholung vom Streß der Stadt. Man hört ja immer wieder, daß die, die einen Garten haben, ihn nie mehr hergeben möchten. Wenn jetzt die Gärten neuen Häusern weichen sollen, ist das natürlich ein Verlust.

Ich würde gern einen Garten haben, aber das ist sehr schwer mit meiner Arbeit zu vereinbaren. Ich habe keine Zeit, weil ich erst spät am Abend von der Arbeit komme. Dann habe ich auch keine Lust mehr, Tomaten zu begießen oder Gemüse zu ernten. Am Wochenende würde ich gern im Garten sitzen. Denn die Parks hier sind mir einfach zu voll. Kreuzberg ist ein furchtbar lärmender Stadtteil. Und zu Hause bei meiner Familie dröhnt nur das Radio und der Fernseher. Rüdiger Soldt

Fotos: Nikolas Schmidt/Sequenz