Leasen und Verbrennen

■ Töpfer präsentiert ein neues Abfallgesetz, das keinen Abfall mehr kennt

Leasen und Verbrennen Töpfer präsentiert ein neues Abfallgesetz, das keinen Abfall mehr kennt

Autos leasen, Computer leasen, Videogeräte leasen, Schulbücher leasen und künftig auch Vokabelhefte leasen. Bundesumweltminister Töpfer will die Bundesrepublik in die Leasing- Gesellschaft führen. Es gibt auf Töpfers Basar der ökologischen Marktwirtschaft keine Produkte mehr, es gibt nur noch Dienstleistungen. Ich kauf' mein Vokalbelheft künftig nur mehr, um es vollzuschreiben. Und wenn ich's nicht mehr brauche, geb' ich's an den Produzenten zurück. Soll der doch sehen, wie er mit der tintenbespritzten Blättern und den Kaffeeflecken klarkommt.

Die Idee ist in der Tat bestechend, wenn auch nicht brandneu. Chemiker und Abfallwirtschaftler haben schon vor einigen Jahren wechselweise der Leasingwirtschaft das Wort geredet. Die meisten Menschen kaufen Produkte ja wirklich nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie sie gebrauchen wollen. Und wenn sie dann ihr Ziel erreicht haben, geht das Produkt bis jetzt den Weg alles Irdischen.

Wenn Töpfer jetzt die Kreislaufwirtschaft ankündigt und die Produzenten zwingen will, all ihre Produkte zurückzunehmen, so kann das ungeheuer viel Hirnschmalz in Bewegung setzen. Firmen, die für ihre Produkte Stoffbilanzen und Kreislaufplanungen aufstellen müssen, werden durchsichtig in ihrem Beitrag zur Wegwerfwirtschaft. Ein echter Schritt vorwärts.

Töpfer wäre aber nicht Töpfer, wenn er nicht im vorauseilenden Gehorsam vor dem Kabinettskollegen Jürgen Möllemann gleich alle möglichen Klauseln eingebaut hätte, die das an sich begrüßenswerte Konzept wieder verwässern. Um nur das wichtigste Problem zu nennen: Die Genehmigung von Müllkippen und -verbrennungsanlagen soll erleichtert werden. Doch nur der jetzige Flaschenhals beim Müll, der „Müllnotstand“, hat die Kreativität der Müllpolitiker beflügelt. Wenn er der Flasche jetzt den Kopf abschlägt, Genehmigungsverfahren nach Krauseschem Vorbild verkürzt, wird sich die Scheiße ungehindert wieder in die Lande ergießen. Ein Minister, der Vermeidung und die Erweiterung der „Entsorgungskapazitäten“ predigt, leistet keinen Beitrag zum Umweltschutz.

Überhaupt Müllverbrennung: In der Industrie trauen sich viele nicht mehr, die Müllverbrennung „thermische Verwertung“ zu nennen. In Töpfers Presseerklärung dagegen feiert „die thermische Behandlung und Verwertung“ fröhliche Urständ. Der Minister bewährt sich wieder einmal als Philosoph. In der Praxis verbrennen und beseitigen die anderen. Hermann-Josef Tenhagen