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: Business as usual?

■ Nach Perots Rücktritt — der Milliardär brachte die Politik der USA auf Hochtouren

Da gab es einmal einen Geschäftsmann, der wollte 100 Millionen Dollar in ein Weißes Haus investieren. Als es sich nicht mehr lohnte, stieg er bei zehn Millionen aus — und sparte eine Menge Geld. Dennoch: Niemand hatte ernsthaft damit gerechnet, daß Ross Perot, der Milliardär aus Texas, so schnell das Handtuch werfen würde. Wem schadet oder nützt nun sein Abschied? Seine Kampagne stand unter dem gleichen Schlagwort wie der Wahlkampf Bill Clintons: „Change“ — Veränderung, Umschwung. Über die Demokraten wußte Perot zuletzt nur Positives zu sagen. Das heißt noch gar nichts. Seine Anhänger fühlen sich erst einmal verraten und verkauft.

Auf psychologisch-symbolischer Ebene haben Perot und Bush sehr viel mehr gemeinsam. Ersterer übte vor allem mit seiner anti-staatlichen Rhetorik und der Aura eines außerparlamentarischen Rambos Anziehungskraft aus. Sein Macho-Populismus ist Ausdruck einer Remaskulinisierung in Teilen der Gesellschaft. Würde dieser Trend alles andere dominieren, Clinton hätte bereits verloren: Ist doch sein Programm geprägt von „typisch weiblichen“ Themen wie Schulbildung und Gesundheitsfürsorge. Der Demokrat setzt voll auf die Stimmen der Frauen. Für keine Äußerung erhielt Clinton mehr Beifall, als für sein Ja zur Entscheidungsfreiheit der Frau in Sachen Abtreibung.

Andererseits trägt Clinton der Remaskuliniserung durchaus Rechnung — das bekommt am härtesten seine Frau Hillary zu spüren. Die eloquente Juristin mit eigenen politischen Ansichten ist inzwischen zu einer liebevollen Mutter und stolzen Gattin umfrisiert worden, die sich öffentlich über Kuchenrezepte ausläßt. Der „Vorwurf“, mit einer starken, ambitionierten Frau verheiratet zu sein und damit in seiner Männlichkeit hinterfragt zu werden, ist für jeden Kandidaten gefährlich. Clinton kann ihn sich am allerwenigsten leisten.

Bleibt die Frage, ob die Republikaner tatsäch-

lich Perot beerben können. Was den Machismo angeht, fällt ihnen das nicht schwer, was den Po-

pulismus angeht, sehr wohl. Die Bush-Admini-

stration ist das Sinnbild des erstarrten Establishment, das Perot ursprünglich verjagen wollte. Ihr wahlstrategischer Spielraum ist eng. Sie können nur auf zweierlei hoffen: einen Silberstreif am Horizont der Wirtschaft des Landes und/oder eine massive Negativkampagne gegen Clinton. Da ist allerdings schon in den Vorwahlen viel Pulver verschossen worden — und er hat sich immer wieder aufgerappelt. Denkbar ist, daß die US-WählerInnen von dieser altbekannten Art der Machterhaltung die Nase voll haben. Das wäre nicht zuletzt Ross Perots Verdienst. Andrea Böhm, New York