MIT ITALIENS DISKONTZINS AUF DU UND DU
: Manna für die Mafia

Die Diskontsatzerhöhung bringt Spekulationsgewinne  ■ Aus Rom Werner Raith

Eine Mischung aus offiziellem Stirnrunzeln bis Tadel, offener Wut auf die Deutschen — und klammheimlicher Erleichterung — so läßt sich die Stimmung in Italiens Geld- und Arbeitswelt nach der Erhöhung des landeseigenen Diskontsatzes um ein Dreiviertelprozent am besten beschreiben. Offizielle Mißbilligung, weil der Schritt selbst nach optimistischen Prognosen dem Land einen Schaden von umgerechnet mindestens acht bis zehn Milliarden DM bringen wird; und das bedingt auch die offene Wut auf die Deutschen, die mit ihrer Erhöhung des Diskontsatzes Italien gezwungen haben, nach der Leitzinserhöhung vor elf Tagen erneut an der Zinsschraube zu drehen.

Gegenüber der Lira ist die Mark auf noch nie gekannte Spitzenhöhen geklettert, hat den bisherigen Höchststand vom vorigen Jahresende von 758 Lire pro Mark hinter sich gelassen und die bis vor kurzem noch für unmöglich gehaltene Grenze von 760 überschritten. „Die Computer der Wechselabteilungen“, so ein Angestellter des „Credito italiano“ in Mailand, „sind in den letzten Tagen ein gutes Dutzend Mal wegen Überlastung zusammengebrochen.“ Ob die lediglich im Gleichschritt vollzogene Erhöhung in Italien um 0,75 — auf 13,75Prozent — die Lust auf das Einwechseln der begehrten „Deutschmark“ mindern wird, ist eher zweifelhaft; unstrittig ist dagegen die Wirkung auf den landesinternen Markt.

Getroffen wird mit der neuen Zinserhöhung vor allem die sowieso schon gebeutelte mittelständische Industrie, die Bauern und, natürlich, die von der ständigen Geldabwertung besonders geschlagenen Arbeiter. Der zaghafte Aufschwung, den die von der neuen Regierung Amato beschlossenen Spargesetze, die Steuererhöhungen und die Verkäufe von Staatseigentum hätten einleiten können, ist auf absehbare Zeit nicht zu realisieren — „schlichtweg, weil gerade die produktiven Bereiche nun kaum mehr Kredite aufnehmen können“, wie Augusto de Lerma di Celenza e di Castelmezzano feststellt. Dem Direktor einer Provinzfiliale des „Banco di Roma“ entwinden die Kunden reihenweise die schon abgegebenen Investitionsanträge.

In Schwierigkeiten gerät die Regierung aber nicht nur wegen der nun negativen Produktivitätskurve; ihr selbst laufen nahezu alle Haushaltsansätze weg, weil mehr Geld für den Zinsdienst für die hohen Staatsschulden aufzubringen ist.

Dennoch sind die Regierenden nicht ganz und gar unglücklich: Schon vor den Mark-Turbulenzen mußten sie, streng unter der Decke, eingestehen, daß ihre Rechnungen auch diesmal nicht aufgehen würden, daß die mit der EG vereinbarten Einsparungen von umgerechnet 40 Milliarden DM nicht ausreichen würden, den Haushalt zu sanieren. Nun haben sie, immerhin, in der DM-Aufwertung eine Ausrede gefunden, wenn alles nicht wie versprochen klappt.

Zufrieden sind aber auch noch andere: „Die internationalen Spekulanten vom Typ Mafioso“, wie Direktor De Lerma wutvoll feststellt, „für die ist der Wirbel um die Umtauschkurse natürlich Manna vom Himmel.“ Experten der Finanzpolizei haben die Gewinne der aus Narco- und Waffengeschäften schwerreichen Spekulanten auf mindestens zehn Milliarden DM geschätzt — ein satter Gewinn innerhalb von zwei Wochen.