"Dieses ganze Zeug leid"

■ Mit Neo-New Wave zum Erfolg: Das Hamburger Duo Wolfsheim will eigentlich bloß Musikgeschichte transportieren

INTERVIEW

„Dieses ganze Zeug leid“ Mit Neo-New Wave zum Erfolg: Das Hamburger Duo

Wolfsheim will eigentlich bloß Musikgeschichte transportieren 1987 fanden sich der Ex-Geschenkverpacker, Ex-McDonalds-Griller, verhinderte Maler und derzeitige Kiosk-Verkäufer Peter Heppner und der Ex-Sozialpädagogik-Student Markus Reinhardt zusammen und gründeten die Gruppe mit dem animalisch-düster klingenden Namen „Wolfsheim“. Von ihren ersten beiden beim Hamburger Label „Strange Ways Records“ erschienenen Maxisingles wurden innerhalb eines Jahres insgesamt 10000 Stück verkauft.

Ihr jetzt veröffentlichtes Debütalbum „No Happy View“ macht die Bandbreite der musikalischen Marschrichtung von „Wolfsheim“ in aller

5Schlichtheit deutlich: Ein bißchen „Depeche Mode“, ein bißchen „Soft Cell“, ein paar abgegriffene Rhythmen und Beats und vor allem: pures Recycling der frühen 80er Jahre. Überraschenderweise geben die beiden ausgerechnet so abseitige Gruppen wie „The Passage“, „Eyeless in Gaza“ und „The Chameleons“ als ihre Vorbilder an. Markus Reinhardt und Peter Heppner über ihr musikalisches Weltbild.

Wie bezeichnet Ihr Eure Musik?

M.R..: Wir bezeichnen sie eigentlich gar nicht. Wir sind stark vom New Wave Anfang der Achtziger beeinflußt und kramen diese Stimmung wieder ein bißchen hervor. Die kam einfach so beim Musik machen. Wir haben uns nicht vorgenommen, wir wollen so und so klingen.

Eure Musik klingt aber eher altbacken und anachronistisch. War das wirklich Eure Absicht?

M.R.: Wir trauern keinen alten Zeiten hinterher und wir versuchen auch nicht zwanghaft, so zu klingen wie 1982. Es ist ein Stück musikalische Geschichte, die wir in die heutige Zeit transportieren wollen.

Wollt Ihr die Musik Eurer Vorbilder denn nicht irgendwie weiterentwickeln?

P.H.: Ich muß ganz ehrlich sagen, darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht. Wir machen einfach Musik, und das kommt dabei raus. Wir verfolgen keine bestimmte Richtung, es ergibt sich alles.

Wie erklärt Ihr Euch Euren Erfolg?

M.R.: Die Leute haben wieder ein großes Interesse an der Melancholie, die damals mitschwebte. Mit unserer Veröffentlichung haben wir diese Stimmung genau getroffen. Die Leute sind Techno und dieses ganze Zeug leid und wollen wieder zuhören, die Melodien und die Melancholie. Das ist es.

Warum habt Ihr Carlos Peron als Produzenten gewählt, wolltet Ihr so klingen wie Yello vor zehn Jahren?

P.H.: Wir haben da nicht gesessen und uns unter den möglichen Produzenten Carlos Peron ausgesucht. Auf irgendwelchen Umwegen ist ein Tape zu Carlos gelangt. Und er ist dann zu uns gekommen.

Ihr sprecht hauptsächlich Gruftis an. Findet Ihr es nicht unangenehm, ein Publikum zu bedienen, das im Prinzip konservativer und anspruchsloser ist, als der durchschnittliche Phil Collins-Fan?

M.R.: Ich weiß gar nicht, ob uns hauptsächlich Gruftis hören. Bis jetzt haben wir noch keine Fanbriefe mit Kreuzen bekommen. Wenn sie's hören, hören sie's.

Ist es für Euch wichtig, eine Indie- Truppe zu sein?

M.R.: Bei uns war das erstmal ein Schutzmechanismus. Wir wußten, die von Strange Ways Records mochten unsere Musik, und das ist jetzt eine wunderbare Zusammenarbeit. Wenn ein größeres Label Interesse angemeldet hätte, hätten wir auch Befürchtungen gehabt, verheizt zu werden.

Fragen: Gregor Gerlach