Stille Gebärden auf der Amüsiermeile

Auftakt des internationalen Pantomimen-Festivals  ■ Mimen, Possen, Poesie

im St.Pauli-Theater

Viele Worte wolle er nicht machen, wie es sich für diese Veranstaltung des „Hamburger Sommers“ gehöre. Staatsrat Kurt Nevermann dankte zur Eröffnung des Clowns- und Pantominenfestes Mimen, Possen, Poesie mit wenigen Sätzen der Direktion des St.Pauli- Theaters, dem künstlerischen Leiter und Mimen Elie Levy und dem Publikum, das am Freitag zum Auftakt unterhaltsame Information und intensives Gestenspiel von Daniel Stein sah. Der Amerikaner Stein, der lange in Paris lebte, gilt als Musterschüler Etienne Decrouxs, der 1990 starb, und dem das diesjährige Pantomimenfest auf der Amüsiermeile gewidmet ist.

In Polohemd und Freizeithose nimmt Daniel Stein Platz auf einem Barhocker, und führt mit Gesten und mit vielen Worten in die Grundzüge der Mimenkunst ein, wie Decroux sie lehrte. „Der Körper eines Turners, der Geist eines Schauspielers und das Herz eines Dichters“ seien für Decroux die Voraussetzungen eines jeden Pantomimen gewesen. Das Publikum bezieht Stein in seinen kleinen Vortrag mit ein und treibt damit eine Art „warming up“, damit Zuschauerinnen und Zuschauer dem sich anschließenden Stück timepiece entspannt folgen können. Steins Pantomime hebt an mit einem schwingenden Pendel, er selbst beginnt auf der Stelle zu schwanken, sein Körper wird pendelnd zum Zeichen wie die Zeit vergeht. Aus diesem Bild entspinnt er sein Spiel mit tänzerischen Elementen, mit Masken und verblüffenden Täuschungen, wie zum Beispiel in dem Kampf mit einer Stange, den er gegen sich selbst ausficht. Die Improvisationen und sein geradezu kontemplatives Stühlerücken, die zärtlichen bis überladen symbolischen Spielereien mit zwei schlichten Sitzmöbeln dehnen die Zeit, in der sich manche andächtig in vielerlei Assoziationen verstricken und andere der Stille mit einem Gähnen widerstehen. Als Stein symbolisch die Saalbeleuchtung auspustet, bricht donnernder Applaus los.

Am Samstag abend kündete der zweite Künstler des Festivals, Yves Lebreton, leise und beruhigend mit urwaldigem Vogelgezwitscher sein Clown-Programm „Hm? oder die Abenteuer des Monsieur Ballon“ an. Weniger still waren die Aktionen des Künstlers, der mehr auf Eindeutigkeiten als auf seine pantomimischen Fähigkeiten setzte.

Zwar beginnt der Abend, wie man es sich vorgestellt hat - ohne Worte, dafür mit ausdrucksstarken Gesten: Der Franzose hangelt sich an einem Schlauch von der Decke. Doch schon nach kurzer Zeit lenkt Yves Lebreton sein Spiel in Bahnen, die - schweren Eisenbahnschienen gleich - mögliche Assoziationen festlegen. Wenig Platz bleibt für die eigene Vorstellungskraft, dafür viel Gelegenheit zu überschwenglichem Gelächter. Die Zuschauer, die ins Geschehen durch Ballon- und Zeitungswurf-Schlachten einbezogen sind, spenden in kindlicher Freude phonstarken Applaus. Was Lebreton zeigt, ist zwar leicht verständlich - abgesehen von den verbalen Einlagen, auf die sich nur Frankophile einen Reim machen konnten -, aber nie plump.

Wirkliche Klasse beweist er bei seiner Verwandlung zum Huhn. Mit angewinkelten, auf- und abschlagenden Armen gackert er sich die Seele, aber leider auch nach dem zweiten Versuch kein Ei, aus dem Leib. Lediglich ein luftiger Wind entweicht. Auch für den nächsten Kindergeburtstag durchaus brauchbar. Doch dafür ist der Mann wohl zu teuer. Julia Kossmann/Gregor Gerlach

Heute abend: I Pendolari dell'Essere (Italien) mit „Tatum..Tatum..Crack!“, St.Pauli-Theater, 21 Uhr