Unter dem Pflaster liegt das Salz

■ Elbtunnel: Versalzt der Untergrund den Verkehrsplanern die 4. Röhre? / Geologische Bohrungen sollen Erdbebengefahr klären

: Versalzt der Untergrund den Verkehrsplanern die 4.Röhre? / Geologische Bohrungen sollen Erdbebengefahr klären

Der vom Bundeskabinett beschlossene Bau der vierten Elbtunnelröhre steht auf wackligem Grund. Nicht nur, daß die Privat- Finanzierung des 480 Millionen Projekts noch nicht gesichert ist und 41 Anwohner gegen die Elbunterquerung klagen. Das Nordportal der Verkehrsröhre soll direkt im Zentrum des Langenfelder Salzstockes gebaut werden - dem Gebiet, das die Umweltbehörde Hamburgs „Erdbebenzone“ nennt.

Um genauere Erkenntnisse über die Beschaffenheit des Salzstocks - und die Gefahren, die von ihm ausgehen können - zu gewinnen, ordnete sie im Mai eine umfangreiche Untersuchung des Geländes an. Mit Vibrator und „Geophonen“ hörten die Wissenschaftler des Geologischen Landesamtes den Untergrund in Othmarschen und Langenfelde ab. „Denn im ungünstigsten Fall“, begründete die Umweltbehörde die Untersuchungen, „kann es im Bereich des Salzstockes zu Erdbeben - sogenannten Einsturzbeben kommen“.

Fünf Eichen spurlos im Boden versunken

Denn dort, wo der Salzstock mit Grundwasser in Berührung kommt, werden die Salzkristalle gelöst, unterirdische Hohlräume entstehen. Stürzen diese ein, vibriert der Grund und das Erdreich senkt sich ab. Zur Zeit werden die Messungen im Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung in Hannover ausgewertet. Dr. Friedrich Meister vom geologischen Landesamt Hamburg: „Wir rechnen damit, daß die Ergebnisse im Herbst vorliegen“.

Doch historische Aufzeichnungen belegen bereits, auf welch wackligem Grund das Verkehrsprojekt hochgezogen werden soll. Im Januar 1834 versanken in der Erdbebenzone fünf fast 20 Meter hohe Eichen spurlos im Boden, als das Erdreich einbrach. Die letzte größere Erderschütterung im Bereich des Salzstockes verzeichneten die Seismographen im Januar 1963. Was die Erdfälle bewirken können, daran erinnern der Bahrenfelder See und der Othmarschener Dorfteich - beide nichts anderes als mit Wasser gefüllte Einsturzkrater, entstanden durch frühere Beben.

Besonders bedenklich: Der Bau der vierten Tunnel-Röhre kann die Erdbewegungen noch verstärken. Johannes Niedermeyer, ehemaliger Mitarbeiter des geologischen Landesamtes, weist darauf hin, „daß die starke Bebauung ein Zusammendrücken des Untergrundes in Oberflächennähe bewirkt und der starke Straßenverkehr ein Einrütteln besonders sandiger Schichten hervorruft“. Die Tunnel-Kritiker warnen deshalb davor, daß dieser bald unter der Rubrik „Einstürzende Neubauten“ abgebucht werden kann.

Doch nicht nur mögliche Beben bedrohen die Umgebung des Elbtunnel-Nordportals. Über vielen Bereichen des Salzstockes senkt sich die Erde großflächig ab, Milimeter für Milimeter. Die Folgen dieser permanent stattfindenden Bewegungen sind deutlich zu sehen bei einer Visite des Salzstockgebiets, das sich vom Langenfelder Rangierbahnhof über Lurup, Osdorf und Othmarschen erstreckt und im Südwesten von der Klein-Flottbeker Seestraße begrenzt wird. In vielen Gärten werden die brüchigen Außenmauern provisorisch durch ins Erdreich gegrabene Holzpfähle abgestützt.

Bau stoppen, ignorieren oder Zement reinschütten

Wo das nicht passiert, droht Gefahr - mitunter tödliche. Als im November 1986 einige Kinder auf einer zerfurchten Backsteinmauer am Rande der Bahrenfelder Trabrennbahn herumturnten, brach diese urplötzlich zusammen. Der neunjährige Kevin wurde unter den Mauersteinen begraben, er verstarb an Ort und Stelle. Eine offizielle Erklärung für den Einsturz hatte die Baubehörde schnell parat: Ein Auto hätte vor dem tragischen Unfall die Mauer gecrasht, diese so in den maroden Zustand versetzt. Mysteriös: Keiner der Anwohner hatte je eine solche Karambolage bemerkt. Aber genau an der Stelle des tödlichen Unglücksfalles verläuft die Nordbegrenzung des Langenfelder Salzstockes.

Wenn im Herbst die Ergebnisse der geologischen Untersuchungen

vorliegen, werden die Karten neu gemischt. Drohen nach Meinung der Gutachter weitere Erdfälle, bleiben der Baubehörde mehrere Möglichkeiten: Sie kann die Gefahren ignorieren oder das umstrittene Tunnel-Projekt stoppen. Vari-

ante drei: In die Hohlräume des Salzstockes werden Zement-Verpressinjektionen gespritzt, die Einsturzgefahr so verringert. Eine Garantie, daß sich das Erdreich dann nicht mehr regt, bieten allerdings solche Füllungen nicht. Doch Kai

Fabig, Sprecher der Umweltbehörde, ist trotzdem um die Zukunft der neuen Elbunterführung nicht bange. Seine Prognose: „Über den Salzstock stolpert der Tunnel sicher nicht“. Karl-Heinz Spiess