: AIDS breitet sich langsamer aus
■ Niedersachsen will Modellprojekte weiterführen / Bisher 237 Aids-Tote
Die befürchtete Durchseuchung breiter Bevölkerungsschichten mit der tödlichen Immunschwäche AIDS ist in Niedersachsen bisher ausgeblieben.
Wie im gesamten Bundesgebiet, so hat sich nach Angaben des niedersächsischen Sozialministeriums das Ausbreitungstempo verlangsamt. Als Gründe nannte ein Sprecher „Sättigungsmechanismen in den Risikogruppen“ sowie ein verantwortungsbewußteres Sexualverhalten in heterosexuellen Beziehungen als angenommen. Das Infektionsrisiko liegt bei dieser Gruppe gegenwärtig bei nur fünf Prozent, während Homo- oder Bisexuelle zu fast 70 Prozent gefährdet sind. Unvermindert hohe Krankheitszuwächse werden hingegen in der Gruppe der Drogenabhängigen verzeichnet.
In Bremen erfaßte die Statistik in den letzen 12 Monaten 15 neue Erkrankungen, so daß die Gesamtzahl der freiwillig gemeldeten AIDS-Kranken im Stadtstaat sich nun auf 143 beläuft. 61 Bremer sind bereits an Immunschwäche gestorben.
Seit Juni vergangenen Jahres sind nach Angaben des Bundesgesundheitsamtes (BGA) in Niedersachsen 104 Aidskranke registriert worden. Allein im Juni dieses Jahres wurden 13 neue Fälle gemeldet. Damit hat sich die Zahl der seit 1987 freiwillig registrierten AIDS-Kranken in Niedersachsen auf 389 erhöht. Ende des Jahres lag sie noch bei 327. Offiziell sind an der Immunschwäche in diesem Bundesland bisher 237 Menschen gestorben. Vor Jahresbeginn lag die Zahl der AIDS-Toten noch bei 207. Nach Schätzungen des BGA in Berlin liegt die Dunkelziffer der aidskranken Menschen in Niedersachsen allerdings bei 2500 bis 4000. Das Gesundheitsamt Hannover geht von 6000 Infizierten aus. Das BGA rechnet mit 100 bis 125 Neuinfektionen pro Jahr.
Zur Zeit muß das Land den Wegfall vo jährlich 2,1 Millionen DM an Bundeszuschüssen für die AIDS-Aufklärung und Bekämpfung verschmerzen. Jedoch könnten mit dem derzeitigen Landesetat von 3,2 Millionen DM sowie der Unterstützung der Landkreise und Kommunen der weitaus größere Teil der Modellvorhaben in diesem Bereich gesichert werden, erklärte dazu der Referatsleiter für übertragbare Krankheiten im Sozialministerium, Werner Schulz. 28 Landkreise und kreisfreie Städte hätten sich bereit erklärt, die AIDS-Fachkräfte aus dem „Bundesgroßmodell Gesundheitsämter“ ab 1992 weiterzubeschäftigen. Die Landeshauptstadt Hannover habe die im Rahmen des Bundesmodellprogrammes dort eingesetzten Streetworker übernommen. Die Ende 1991 ausgelaufene Förderung der ambulanten Hilfen für AIDS-Patienten in Hannover und Göttingen fängt das Land in diesem Jahr mit 180.000 DM auf. Dieser Bereich müsse aber noch weiter ausgebaut werden, sagte Schulz. Er hofft, die ambulanten Hilfen in den kommenden Jahren flächendeckend in Niedersachsen etablieren zu können.
„Wir halten trotz des Wegfalls der Bundesförderung an unserem Konzept der AIDS-Bekämpfung fest“, sagte Schulz. Schwerpunkte bleiben hierbei die Aufklärung von Jugendlichen und vor allem die Dogenabhängigen. Britta Grashorn
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