PREDIGTKRITIK
: Torheiten predigen

■ 5. Sonntag nach Trinitatis in der Jesus-Kirche

Wer Pfarrer wird, der ist gesendet — »gesendet, das Evangelium zu predigen, die Botschaft in die Welt hinein zu sprechen, die Gute Nachricht zu verkünden«. Vikar Rolf Steinicke ist so ein Gesendeter. Bis vor kurzem hat er Theologie studiert, jetzt lernt er in der Jesus-Kirche gerade »Pfarrer«.

Heute, am fünften Sonntag nach Trinitatis, darf der junge Mann selbst auf die Kanzel. In der Urlaubszeit dürfen sich die Vikare einmal ausprobieren. Und der junge Geistliche hat Glück, gerät er doch mit seiner Predigtstelle gleich an einen Knackpunkt des Glaubens: Im 1. Brief an die Korinther denkt Paulus über die Botschaft vom Kreuz nach: »Denn das Wort vom Kreuz«, heißt es in Kap.1 Vers 18, »ist denen, die verlorengehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft.«

Ja, es ist so eine Sache mit der Logik und dem Glauben. Sie wollen nicht so recht zueinanderkommen. Dem Menschen, kleingeistig und egoistisch, will die Botschaft einfach nicht einleuchten, er wartet immer nur auf Zeichen und Wunder, will Antworten auf die vielen Fragen des Daseins. Lebenshilfe. Oder zumindest hin und wieder so etwas wie »Wasser zu Wein«.

Nichts von alledem wird uns von oben gegeben, paradoxerweise faxt uns der Herr als Antwort auf alle Fragen ausgerechnet diese seltsame Botschaft vom Kreuz, die doch allem Irdischen so eklatant zuwiderläuft. Denn ist es nicht so, daß einer entweder schuldig ist — und dann soll er auch am Kreuz hängen —, oder er ist eben unschuldig? In diesem Fall hinge er dort falsch. Und das wäre dann doch — im Falle des fälschlichen Hängens — eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit! Jedenfalls beileibe keine frohe Botschaft.

Die Wege des Herrn aber sind unergründlich. Zum unbedingten Vertrauen will er uns bringen, deshalb hat er seinen eigenen Sohn am Kreuz geopfert: Damit wir immer erkennen, daß Gott uns nahe ist. »Und die Wahrheit der Welt taugt nicht, das Vertrauen wachsen zu lassen«, weiß Vikar Steinicke, und faßt damit die Crux des Glaubens in schlichte, eingängige Worte. Das, was uns da verkündigt wird, kann der Verstand nicht fassen. Es ist eine Torheit, die der Vikar uns predigt. »Und gerade diese Torheit nimmt Gott, um uns den Glauben zu schenken.« Die logikbegeisterten Griechen können nur den Kopf schütteln, die Römer sind enttäuscht, daß es keinen Wein gibt — die Gläubigen aber haben den heiligen Geist, und der hilft ihnen, auch die größte Torheit zu glauben. Denn, das steht ebenfalls im Korintherbrief, für die Berufenen ist die törichte Botschaft Gottes Kraft und Gottes Weisheit: »Das Törichte« schrieb Paulus, und Vikar Steinicke liest es uns noch einmal vor, damit wir es auch ja behalten, »das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen, und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.«

»Mensch«, denke ich im Rausgehen, »ist das jetzt Theodizee oder das Geheimnis des Glaubens?«. Ach, egal — Torheit hin oder her: Schön gepredigt war's allemal. Klaudia Brunst