Flüchtlinge werden heute in Berlin erwartet

■ 220 Menschen aus dem Kriegsgebiet in Rest-Jugoslawien können in der Stadt untergebracht werden, mindestens 5.000 leben bereits hier

Berlin. Die Bundesregierung wird heute über die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet in Jugoslawien befinden. Der Senat hat bereits gestern seine Bereitschaft bekundet, ein entsprechendes Kontingent in der Stadt unterzubringen. Der Sprecher des Senats Eduard Heußen ging davon aus, daß bereits heute die ersten Flüchtlinge aus Bosnien eintreffen.

Während Heußen von einer Gesamtzahl von »unter 500« Flüchtlingen sprach, ging die Senatsverwaltung für Soziales davon aus, daß auf Berlin 220 Menschen entfielen. Dabei geht man davon aus, daß die Bundesrepublik 10.000 Flüchtlinge aufnimmt. Die Quote von 2,2Prozent entspricht dem zwischen den Bundesländern vereinbarten Verteilschlüssel bei Asylbewerbern und Aussiedlern.

Zur Zeit wird noch geklärt, wo die Flüchtlinge in der Stadt untergebracht werden können. Die Kapazität der zur Verfügung stehenden Einrichtungen des Landesamtes für zentrale soziale Aufgaben sind begrenzt, da hier bereits 2.000 Menschen leben, die aus dem Kriegsgebiet geflohen sind. Wie die Sprecherin der Sozialverwaltung, Elke Pohl, erklärte, müßten zudem zahlreiche Aussiedler und Asylbewerber untergebracht werden.

Nach Schätzung der Sozialverwaltung befinden sich in Berlin derzeit 5.000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Dies ist die Zahl derjenigen, die bereits Kontakt mit Berliner Behörden hatten, weil sie Sozialhilfe beantragt haben. Sie erhalten, sofern sie in Heimen untergebracht sind und dort verpflegt werden, ein Taschengeld. Die Heimplätze kosten durchschnittlich 25 bis 30 Mark pro Tag. Ein Großteil der Flüchtlinge wohnt bei Verwandten. Diese müssen, entsprechend ihren Möglichkeiten, für sie auch aufkommen. Maximal wird ein Sozialhilfesatz von 490 Mark im Monat gezahlt.

Wie viele Menschen aus dem Kriegsgebiet sich in der Stadt aufhalten, ohne mit Behörden in Berührung gekommen zu sein, ist unbekannt.

Im Gegensatz zu der Praxis in den anderen Bundesländern hat Berlin bislang bereits darauf verzichtet, von den Betroffenen einen Asylantrag zu verlangen. Da für Einreisende aus Jugoslawien bis heute Visumszwang besteht, wäre ein solcher Antrag eigentlich die Voraussetzung für einen längeren legalen Aufenthalt in der Stadt. Weil es »kostenschonender« ist und man »nicht den ganzen Apparat in Gang setzen muß«, hat die Innenverwaltung, wie ihre Sprecherin Martina Ernst erklärte, auf die Asylverfahren verzichtet, zumal man davon ausgeht, daß die Flüchtlinge nicht auf Dauer in Deutschland bleiben wollen. Ihren Status charakterisiert Martine Ernst als faktische Duldung. Dieser Status wurde durch die nun von der Bundesregierung bgetroffene Regelung einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung legalisiert. dr