NICHT-RAUCHEN ALS UNTERRICHTSFACH

Raucher stinken

Frankfurt/Main (dpa) — „Wer angefangen hat, hört nicht mehr auf.“ Diese Erkenntnis hat ein Team von 15 jungen Medizinern in Frankfurt aktiviert — mit sorgenvollem Blick auf kindliche Zigaretten-Raucher. Seit einem knappen Jahr läuft an 30 hessischen Schulen Unterricht im „Nicht-Rauchen“. Lehrer sind Herr oder Frau Doktor — nicht im weißen Kittel, sondern „in Zivil“.

Bisher ließen sich 2.200 Jungen und Mädchen der siebenten Jahrgangsklasse in Gymnasien, Real-, Haupt- und Gesamtschulen von den Gesundheitsexperten über das heikle Thema Zigaretten unterrichten. „Die Kinder müssen das Nein-Sagen lernen — Nicht-Raucher müssen Nicht-Raucher bleiben“, umschreibt Dr. Manfred Scholz die Botschaft, die er als Arzt den Schulkindern übermitteln möchte. Immerhin gelten statistisch rund zehn Prozent der 13jährigen bereits als erfahrene Raucher. Kein Bekenntnis zur Nikotin- Abstinenz, aber ein „Verteidigen“ des Nicht-Rauchens stellt der Mediziner am Frankfurter Universitäts- Klinikum in den Mittelpunkt.

1991 wurde der Anti-Raucher- Unterricht in 140 hessischen Schulklassen eingerichtet. Im Main-Kinzig-Kreis sowie im Raum Offenbach und Darmstadt stehen Ärzte und Ärztinnen im Auftrag der Deutschen Herzstiftung am Pult. Für ihre Schulstunden haben sie spezielle Lehrmaterialien ausgesucht, um die jungen Leute wirkungsvoll anzusprechen. Die auf vier Wochen verteilten acht Lehreinheiten beginnen mit leicht verständlicher Anatomie des menschlichen Körpers und Erklärungen über die Funktion von Organen und Gefäßen.

Auch die Wirkung von Nikotin und Teer, ausgeklügelte Strategien der Zigarettenwerbung oder einschlägige Quizfragen stehen auf dem Stundenplan. Häufig eingebaut in klassische Schulfächer wie Biologie, Deutsch, Sozialkunde und Deutsch stellen die ärztlichen Pädagogen auf Zeit den Kindern Videos vor, lassen sie anonym Fragebögen beantworten und sich gegenseitig Blutdruck und Puls messen.

Beim Abklopfen des Für und Wider des Rauchens werden die Argumente gesammelt, die beim Ja für den Glimmstengel von Neugier, Mutprobe und „Dazugehören-Wollen“ bis zum Gruppendruck reichen. Die Gegenmeinungen umfassen Begriffe wie gesundheitsschädlich, schmeckt nicht, zu teuer, Raucher stinken. All dies können die Sieben- Kläßler in Rollenspielen vertiefen. Wenn die Schüler schließlich mit „bombig“ oder „hat was gebracht“ reagieren, sind die Mediziner zufrieden. Eine Bilanz wird in zwei Jahren gezogen. Erst dann wird mit Wiederholungs-Unterricht getestet, ob noch immer 90Prozent der 13jährigen „nein danke“ zum blauen Dunst sagen. Renate Rehn