Mit dem da nicht

■ 17 Millionen verbaut, Konzept offen: Die Sparkasse vollendet in der Böttcherstraße Tatsachen / Mit Rebers auf der Baustelle

Friedrich Rebers, Sparkassenvorstand

In hundert Jahren noch wird Friedrich Rebers in der Böttcherstraße umgehen, wird hier am Putz fühlen und dort über Stockflecken klagen und nach dem Maurer winken, und schaurig wird der Wind ins Glockenspiel fahren; jetzt schon geht der Sparkassenvorstand „in jeder freien Minute hin“, wie er sagt, und beobachtet den Fortgang seines Werks.

Für 17 Millionen richtet die Sparkasse die alte Böttcherstraße wieder her wie in echt, nachdem sie sie zuvor für fünf Millionen gekauft und „mit nichts Schlimmem gerechnet“ hatte, sagt Rebers; aber dann: Ratten hinter den Schränken, marode Fensterstürze, modriges Balkenwerk und abgesackte Fundamente. „Der Hoetger war ja so'n Künstler, keine Ahnung von Statik, der machte nur immer Sand rin!“ Jetzt beheben bis zu hundert Handwerker die Schäden, bauen Toiletten ein und neue Fenster und ein ganz neues Leitungsnetz und versetzen, wo nötig, ganze Säulen: „Einmal kam“, sagt Rebers, „da von oben die ganze Musik runter; da hatten die eine Säule mit 22 Tonnen Traglast hingestellt, und einen halben Meter unterhalb verlief im Boden ein Leitungsrohr. Aus Ton!“

In wenigen Wochen wird zunächst das Roselius-Haus fertig sein, mit zwei neu eingezognen Geschossen unterm Dach, allwo die museale Verwaltung der Böttcherstraße, namentlich des neuen Modersohn-Museums, der Hoetger-Sammlung und des Roselius- Hauses Platz finden wird. Aber hier fangen die Probleme schon an.

Es gibt kein Konzept. Im Frühjahr '93 sind alle Kulissen fertig; was drin gespielt werden soll, weiß niemand. Die Kulturbehörde, der Bund und die Sparkasse werkeln immer noch an der gemeinsamen „Stiftung Böttcherstraße“, die quasi als Holding das Kunstwerk betreiben soll.

Für das Modersohn-Museum ist ein eigener, aber der Stiftung untergeordneter Trägerverein vorgesehen; diesen Verein hat aber, noch ehe er gegründet ward, die Kunsthalle im Unfrieden schon wieder verlassen (taz vom 4.7.), unter Mitnahme ihrer Bilder und ihres Sachverstands; dafür hat man immerhin schon eine Modersohn-Direktorin, allerdings mit unklaren Kompetenzen: Dr. Karin Hammer, die Erwählte, hat eben ihr Volontariat im Museum für Hamburgische Geschichte abgeschlossen, und schon findet sie sich in einer überaus wirren Lage wieder.

Dazu eine Anekdote: Geht Rebers zu Senatsrat Opper in die Kulturbehörde und sagt: „Könnte nicht die Frau Hammer das Roselius- Haus gleich mit übernehmen?“ Sagt Opper: „Aber nur, wenn das mit dem Christiansen nicht

Das Innenleben der Böttcherstraße ist noch immer ungeordnet. Fotos: Jörg Oberheide

klappt.“ Sagt Rebers: „Dafür werd ich schon sorgen, daß das nicht klappt.“

So erzählt jedenfalls Rebers selber die Geschichte. Und die Auflösung: Jörn Christiansen, Chef des Focke-Museums, hilft derzeit bei der Neugestaltung des

Im Frühjahr '93 sind die Kulissen fertig; was drin gespielt werden soll, weiß niemand

Roselius-Hauses — bloß mit gemäßigter Begeisterung, weil er lieber die ganze Böttcherstraße in die Verantwortung seines Hauses eingebunden sähe: „Es wäre sehr sinnvoll“, sagt er, „daß diese spannende Figur Roselius museal vermittelt wird. Bis jetzt hat ja die ganze Böttcherstraße nicht die

hierhin bitte das

Foto von der

Baustelle

(Blick nach draußen)

mindeste Infrastruktur. Irgendwo wird man sie also ohnehin anbinden müssen.“

Aber wohl nicht ans Focke- Museum, solange noch Atem in Rebers und Geld in der Sparkasse ist: „Mit dem Christiansen will ich das nicht“, sagt Rebers, der den neuen Focke-Chef haßt, seit dieser der taz sein erstes Interview gab: „Wie der da das alte Museum, wie es war, so abgetan hat, das hat mich tief verletzt“.

Und nun? Es ist eine Wonne, mit Rebers über seine Baustelle zu laufen. Hier stößt er mit Bubenglanz im Blick die Tür auf zu einer der drei unglaublich neuen Heizanlagen, dort weist er überaus bescheiden auf die neuen vergüldeten Balkenstirnen an der Fassade („Da haben wir eigens einen bayerischen Holzschnitzer mit beauftragt“), aber noch mit dem selben Blick sieht er auch schon die offne Kellerklappe nebenan und ordert Abhilfe.

„Vierhundert Container voller Schutt haben wir hier rausgeschafft“, sagt er, „alles eimerweise hintenrum; wir konnten ja die Straße nicht zumachen deshalb.“ Und jetzt ist bald alles wieder am Funkeln, „möglichst original“, bloß was nicht geht, geht halt nicht: Die Fenster sind etwas gröber gegliedert wg. Isolierglas, das Modersohn-Haus hat ein Walmdach statt des alten Spitzdaches („Das macht Platz für die Figuren von Hoetger“), und im Hoetgerhof Puvogels obermodernen Gewurschtelbrunnen, „den kloppen wir raus, daß das wieder schnieke in Form kommt. Hat ja den ganzen Hof verschandelt.“

Es geht praktisch zu, wo ein Rebers waltet. Sonst waltet hier kaum jemand, außer Herrn Stolzke, ebenfalls Sparkasse, aber von der Bauabteilung. Diese

hat man der Einfachkeit halber mit dem Projekt betraut.

Jörn Christiansen andererseits findet es nicht so gut, „daß bislang konzeptionell weiter nicht nachgedacht worden ist — bloß damit es schnell geht“. Immerhin aber hat er durchgesetzt, daß vorerst das Roselius-Haus nicht mit den Tapeten tapeziert wird, die die Sparkasse schon ausgesucht hatte. „Man weiß ja gar nicht“, sagt er, „was dem Originalzustand entspräche“. Jetzt wird einfach nur gestrichen, und größere Eingriffe unterbleiben, damit eines Tages, wenn mal jemand wissen sollte, was man mit der Böttcherstraße anfangen könnte, „nichts Irreversibles“ im Wege liegt.

Rebers hingegen hat schon neue Pläne. Ehe er 1995 in Pension geht, will er noch das alte Freese- Haus auf'm Teerhof wiederaufbauen und, zusammen mit Eduscho, als Kaffee-Museum einrichten. „Gespräche“ laufen schon lang; schließlich hat er auch in punkto Böttcherstraße, wie er sagt, „die ersten zwei Jahre alleine verhandelt, und selbst mein Sparkassenvorstand hat's erst aus dem Fernsehen erfahren. Das kann nicht alles auf demokratischem Wege laufen; dann wird's ja nie was.“ Und schaute mit zufried'nem Blicke / Auf das beherrschte Samos hin. Manfred Dworschak