Glatt rasiert

■ ZDF-Frühstücks-TV, Montag, 6.00 Uhr

Manchmal ist es eben von Vorteil, wenn man nur zweiter ist. Nach einer Woche Frühstücksfernsehen versiegt die Lust am frühen Aufstehen, das erste Lampenfieber ist weg. Da kommt das ZDF daher mit seiner eigenen, der Premiere zweiter Teil.

Und die Berliner Redaktion — so jedenfalls der erste Eindruck — hat gut aufgepaßt bei den KollegInnen von der ARD. Maybrit Illner und Cherno Jobatey ersparen uns die Aufgeregtheiten der vergangenen Woche. Das Programm ist nach einem klaren Muster gestrickt, kein Vogel, kein Blaubär, kein alpenländischer Wetterfrosch, kein generalstabsmäßiges Staumanöver. Kurz: Nicht nur aus eigenen Fehlern wird man klug, auch aus denen anderer. Statt dessen überwiegen in der ZDF- Deko die Blau- und Grautöne, ein Techno-Ambiente schimmert überall durch, es sieht aus wie bei Yuppies zu Hause. Interviews finden in der Sitzecke mit stilisiertem Penthouse-Ausblick im Hintergrund statt, der eingeladene Pressemensch blättert seine Morgenzeitungen in der Küche durch, der Sport- und der Wirtschaftsmoderator stehen draußen vor der Tür. Das Ganze geht dann auch zwei Stunden lang gut. Die einzelnen „Rubriken“ der Sendung werden mit Hilfe eines klug erdachten Logos (aus zwei schlichten Kreisen) angekündigt, die Schlagzeilen kommen (um viertel vor und viertel nach) aus der Sendezentrale in Mainz (und nicht aus der Frühstücksredaktion wie beim WDR).

Doch um kurz nach acht bricht der Laden beinahe zusammen. Illner muß plötzlich ein Gespräch mit dem Korrespondenten in Sarajevo frei anmoderieren, gleichzeitig hält die Leitung nach Bosnien nicht, und der ZDF-Intendant, Dieter Stolte, nimmt schon mal fürs Interview Platz. Und, potz Blitz, da merkt der Zuschauer: Die nudeln ja nicht nur Konserven durch, lesen nicht nur x-mal geübte Moderationen ab. Die versuchen, Fernsehen zu machen. Das Interview mit „Kollege Boß“, so kündigt Jobatey Stolte an, wirkt jetzt nur noch peinlich: „Was wünschen Sie sich auf keinen Fall?“ Stolte: „Pannen!“ Damit ist das Motto für die nächsten Wochen vorgegeben.

An diesem Morgen komme ich erst um neun Uhr ins Bad. Während des Blicks in den Spiegel denke ich darüber nach, daß man mit Premieren nicht so streng sein sollte, und beschließe, mich heute mal nicht zu rasieren. Ich will nicht so glatt aussehen. Achim Baum