Nur privat Fliegen ist schöner

■ Bundesregierung beschließt Privatisierungskonzept: Lufthansa, Telekom und Ostgrundstücke sollen verkauft werden/ Rote Zahlen, Grundgesetz und Ansprüche von Alteigentümern als Hindernisse

Bonn/Berlin (dpa/AP/taz) — Die Bundesregierung will weitere bundeseigene Firmen verkaufen: Die Lufthansa soll völlig privatisiert und das Postunternehmen Telekom teilweise verkauft werden, heißt es im Privatisierungsbericht von Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), den das Kabinett gestern absegnete. Neben Beteiligungen an mittleren und kleineren Unternehmen stehen erstmals auch Grundstücke und Gebäude von Bund und Bahnen in Ostdeutschland zum Verkauf.

Teilprivatisiert werden soll auch die Gesellschaft, die die Tankstellen und Raststätten an den Autobahnen baut und betreibt. Auf der Liste stehen ferner die Kanalbauer der Rhein- Main-Donau AG, die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank, einige Wohnungsbaugesellschaften und insbesondere Beteiligungen der Deutschen Bundesbahn.

Der vollständige Rückzug des Bundes aus der Lufthansa, dem der damalige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß viele Jahre erfolgreich widersprochen hatte, soll aber erst bei verbesserter Wirtschaftslage des Flugunternehmens (1991: 425,8 Millionen Mark Verlust) und bei besserer Börsennotierung beginnen. Solange es in anderen EG-Ländern staatliche Flugunternehmen gibt, will der Bund mindestens eine „Sperrminderheit“ von 25,1 Prozent des Grundkapitals von jetzt 1,526 Milliarden DM behalten. Derzeit hält der Bund direkt 52,95 Prozent Anteile und über die Kreditanstalt für Wiederaufbau nochmals 1,77 Prozent. 43,07 Prozent des Kapitals sind breit gestreut. Das Land Nordrhein- Westfalen hält 2,21 Prozent. Ein weiteres Verkaufshindernis sind die Rentenansprüche der Lufthansa-Beschäftigten, für die der Bund bei Umwandlung in ein Privatunternehmen wird aufkommen müssen.

Große Hoffnungen richtet die Bundesregierung auf die Privatisierung der Telekom. Voraussetzung ist jedoch die Änderung des Artikels87 des Grundgesetzes, mit der das bundeseigene Unternehmen in eine private Rechtsform umgewandelt werden kann.

Von den massiven Verkäufen verspricht sich die Bundesregierung in erster Linie Einnahmen für die leere Bundeskasse. Seit 1983 flossen nach Angaben des Finanzministeriums aus Privatisierungen rund zehn Milliarden Mark in die Bundeskasse. Davon wurden die Deutsche Bundesstiftung Umwelt mit 2,4 Milliarden Mark und die Volkswagen Stiftung mit 800 Millionen Mark ausgestattet.

Das Finanzministerium widersprach Hoffnungen, die verbliebenen Beteiligungen seien für dreistellige Milliardenbeträge zu verkaufen. Diese Summe komme nur zusammen, wenn auch Länder und Gemeinden umfangreich privatisierten. Ein einstelliger Milliardenbetrag aus Bundesverkäufen sei zu erwarten. Er könne nach der Aufhebung von Privatisierungsgrenzen im Grundgesetz über eine Teilprivatisierung der Telekom auf einen zweistelligen Milliardenbetrag steigen.

Bis Ende März 1993 soll Waigel dem Kabinett darüber berichten, welche Grundstücke an Private verkauft werden können. Gedacht ist dabei auch an die 1.500 Kilometer ehemaligen Grenzstreifen zur Ex-DDR. Andererseits sieht die Regierung einen Großteil solcher Grundstücke mit Rückgabeansprüchen an Alteigentümer belastet.

Das Bundeskabinett beschloß gestern gleichzeitig die Freigabe von 14 Milliarden Mark an Krediten aus dem ERP-Sondervermögen für die Förderung kleiner und mittelständischer Firmen im Jahr 1993. Nach Plänen aus dem Wirtschaftsministerium sind für Westdeutschland Darlehen von vier Milliarden Mark vorgesehen, für Ostdeutschland zehn Milliarden Mark.